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Mit Knalleffekt zum Erfolg: Der Körperschall-Airbag CISS

Ingolstadt. Die Idee kam glücklicherweise nicht aus gegebenem Anlass, sondern aus dem Versuchslabor: "Aus Crashtests wussten wir, dass sich einzelne Unfallarten sehr unterschiedlich anhören.

Die Geräusche entstehen bei der Deformation des Fahrzeugs. Die Idee für CISS war geboren“, berichtet Projektleiter Professor Thomas Brandmeier von der FH Ingolstadt. Mit lautem Knallen beginnt also die Erfolgsgeschichte namens CISS.

 

CISS bedeutet Crash Impact Sound Sensing und ist, um es einfach auszudrücken, ein „Airbag mit Ohren“. Bei dem System misst ein Sensor Geräusche in der Fahrzeugstruktur – den Körperschall, der bei einem Unfall entsteht und entscheidet, ob der Airbag ausgelöst werden muss oder nicht. Der „intelligente“ Airbag hört also, ob der Aufprall des Autos so stark ist und seine Aktivierung erforderlich ist oder – etwa beim Touchieren während des Einparkens - die anderen Sicherheitselemente wie etwa Sicherheitsgurte ausreichen. Das „Ohr“ des CISS misst den Körperschall, der beim Frontalcrash durch die Verformung in der Fahrzeugfront entsteht. Diese Schwingungen werden über die Fahrzeugkarosserie zum zentralen Steuergerät übertragen, die die Signale auswertet und im Falle eines starken Aufpralls grünes Licht für den Airbag gibt.

Netzwerk bilden und voran kommen!

Das CISS-Projekt steht unter Leitung von Professor Thomas Brandmeier und Diplom-Ingenieur Michael Feser von der Continental AG und zeigt, dass Vernetzungen absolut erfolgreich sein können: Die optimale Mischung aus Experten der Hochschule und der Wirtschaft forscht und entwickelt – und wird schließlich mit Preisen (Bayerischer Innovationspreis 2008) und sogar dem „In-Serie-gehen“ ihres „Babies“ belohnt. „CISS war zunächst als Vorfelduntersuchung mit einem kleinen Team bestehend aus Mitarbeitern von der Firma Continental und Doktoranden aus dem Institut für Angewandte Forschung (IAF) der Fachhochschule Ingolstadt 2003 gestartet. Im Jahr 2005 wurde das Thema dann in der Serienentwicklung durch die AUDI AG und später auch durch die Volkswagen AG unterstützt. Sukzessive stießen ab dem Jahr 2005 weitere kleine und mittlere Unternehmen zum Netzwerk“, so Brandmeier. Das bisherige Netzwerk zur Entwicklung von CISS für den Frontalcrash besteht neben dem IAF Ingolstadt aus folgenden Partnern: IMOS (Institut für Mikro- und Sensorsysteme) der Universität Magdeburg und ifak (Institut für Automation und Kommunikation e.V., Magdeburg), - Continental AG, Regensburg/Ingolstadt, Audi AG, Volkswagen AG, Microfuzzy GmbH, München und LTT Labortechnik Tasler GmbH, Würzburg.

Eine „alte“ Idee wird weiter entwickelt

„Die Idee der Nutzung von Körperschallmessungen zum Zweck der Erkennung von Schädigung, Deformationen, Rissen, etc. eines mechanischen Systems ist nicht neu. Bereits vor über 50 Jahren wurde sie von Josef Kaiser in seiner Dissertation bearbeitet“, sagt Thomas Brandmeier. Auch das Promotionsthema Brandmeiers 1992 lag im Bereich der körperschallbasierten Diagnose mechanischer Systeme. „Im Jahr 2002 wünschte sich der damalige Leiter der Abteilung Passive Safety bei Continental in Regensburg eine weitere Verbesserung der Crasherkennung, CISS stand damit quasi in den Startlöchern.“

Fördermöglichkeiten genutzt

Die Fachhochschule Ingolstadt hat sich mehrfach erfolgreich um öffentliche Fördermittel beworben, etwa im Rahmen des Projekts „Körperschall für verbesserten Insassenschutz“ im Zuge des FH3-Programms des Bundesforschungsministeriums (Laufzeit 09/2006 – 08/2009), zum anderen nimmt sie am Bayerischen Landesforschungsprogramm – dem Programm zur Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften – Fachhochschulen des Bayerischen Wirtschaftsministeriums (Laufzeit 08/2008 - 07/2011) teil. Beantragt wurde jetzt das Förderprojekt „Entwicklung innovativer und intelligenter Insassenschutzsysteme für die Automobilindustrie zur Verminderung des Verletzungs- und Todesrisikos durch Einsatz der Seitencrasherkennung mit Körperschall (CISS.S)“ im Rahmen des InnoNet-Programms, dem Innovationswettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums zur Förderung von innovativen Netwerken (geplante Laufzeit 01/2009 – 12/2011).

Auch die Bayerische Forschungsallianz (BayFOR), Partner im Enterprise Europe Network Bayern, hat das Forschungsteam beim Wettbewerb um Forschungsfördermittel beraten. BayFORs Part bestand in der Information, Beratung und Unterstützung des Forschungsteams beim InnoNet-Wettbewerb wie auch bei der Bewerbung um den „European Enterprise Award“. Damit soll das Innovationsnetz langfristig fit gemacht werden, auch an größeren Verbundforschungsprojekten auf europäisch-internationalem Niveau teilnehmen zu können.

Weiter geht’s

Der „hörende Airbag“ kommt nun serienmäßig im neuen VW-Golf zum Einsatz. Damit hat die Erfolgsgeschichte des Forschungs-Netzwerks aber noch kein Ende: CISS soll auch für den Seitencrash funktionieren, über das so genannte CISS.S. Für dessen Entwicklung wurde das Netzwerk um drei kleine und mittelgroße Unternehmen aus Bayern erweitert, nämlich ISKO engineers AG, München, PSW automotive engineering GmbH, Ingolstadt und Achat Solutions GmbH, Schrobenhausen. Fazit: Netzwerkbildung schafft Mehrwert, die optimale Ergänzung von Industrie und Forschung bringt positive Langzeitwirkungen mit sich. Beide Seiten – die Industrie und die Hochschule - können direkt die Synergien im Bereich Wissens- und Technologietransfer für sich nutzen.

Zutaten fürs Erfolgsrezept: Die Ausrichtung mit dem frischen Know-how und geistigem Innovationspotential der Hochschulen, die in Form von gemeinsamen Forschungsprojekten entlang wirtschaftlicher Interessen (in diesem Fall der Automobilindustrie) gebündelt werden müssen. Die Industrie kann dieses Wissen für seinen Innovationsbedarf nutzen – und die Hochschul-Absolventen für den Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern. +++ Karoline Rübsam