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Fokus auf ... Amirul Haque Amin

Wer für ein T-Shirt nicht mehr als vier Euro ausgeben wolle, der lasse es sich letztlich von den Näherinnen und Nähern bezahlen, die es hergestellt haben, gab Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei der Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an Amirul Haque Amin zu bedenken. Die Auszeichnung des Gewerkschafters aus Bangladesh, der sich für eine Verbesserung der katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie einsetzt, lenkt abermals den Fokus auf das Thema Lieferkette und CSR.

Die Textilbranche gilt einerseits als Entwicklungsmotor, auch in Bangladesh treibt sie das Wirtschaftswachstum an, rund 80 Prozent der Exporterlöse gehen dort auf sie zurück. Auch hilft sie, die Armut zu bekämpfen. Doch dies ist nur die eine, die scheinbar glänzende Seite der Medaille.

Denn zur Wahrheit gehört auch, es ist eine Branche in der besonders viele Menschen ausgenutzt und mit Hungerlöhnen abgespeist werden und die oft genug für ihren Lebensunterhalt Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen müssen.  Zweieinhalb Jahre ist es her, dass beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Sabhar/Bangladesh 1.133 Menschen den Tod fanden und rund zweieinhalb Tausend verletzt wurden, teilweise so schwer, dass sie seitdem erwerbsunfähig sind. Für kurze Zeit gerieten die katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen Kleidung produziert wird, ins Blickfeld. 38 Euro betrug damals der Mindestlohn, im Monat wohlgemerkt. Das heißt, die Arbeitskräfte dort erhalten nur wenige Cent in der Stunde. Das meinte Gabriel damit: die Kleidung würde letztlich von diesen Menschen bezahlt. Doch es sind nicht nur die geringen Löhne, auch Gewalt, Schläge und lange Arbeitszeiten gehören zum Alltag ebenso eklatante Sicherheitsrisiken, wie das eingestürzte Gebäude auf drastische Art vor Augen führte. Hinzu kommen noch immense Umweltverschmutzungen, welche die Textilbranche zu verantworten hat.

Bündnis für nachhaltige Textilien

In dem eingestürzten Rana-Plaza-Gebäude waren jedoch keineswegs nur Lieferanten von Billigketten ansässig, sondern quasi Tür an Tür auch die namhafter Modelabels. Als Folge des Einsturzes änderte sich zumindest einiges in der Branche, doch längst nicht genug, wie Menschenrechtsverbände betonen. In Deutschland wurde vor knapp einem Jahr auf Initiative von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das "Bündnis für Nachhaltige Textilien" ins Leben gerufen. Doch es gab zunächst massive Kritik und Vorbehalte der Wirtschaft und zahlreiche Unternehmen stiegen noch vor dem Start wieder aus der Initiative aus, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Textilhersteller zu verbessern. Doch Anfang Juni diesen Jahres waren Spitzenverbände und zahlreiche Unternehmen dem Bündnis doch beigetreten, so dass es aktuell 143 Mitglieder zählt.

In Bangladesh wurden nach dem Unglück die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt und auch der Mindestlohn ein Stück weit angehoben. Mit auch ein Verdienst von Amirul Haque Amin, der sich "mit Hartnäckigkeit und Unerschrockenheit für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und damit für die Würde der Menschen einsetzt, die in der exportorientierten Bekleidungsindustrie von Bangladesch tätig sind", wie es in der Begründung der Jury des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises heißt. 

Streitbarer Kämpfer für menschenwürdige Arbeitsbedingungen

Amin ist Präsident und Mitbegründer der National Garment Workers Federation (NGWF – Nationale Gewerkschaft der Textilarbeiter). Seit 29 Jahren kämpft die größte Gewerkschaft Bangladeschs gegen die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie.Schon vor dem Einsturz von Rana Plaza sind durch die Bemühungen von Amin und der NGWF erste Fortschritte erzielt worden, wie in den 80er Jahren die Einführung des - jedoch sehr geringen - Mindestlohns. Doch noch immer warten viele der Verletzten und Hinterbliebenen des Unglücks von Sabhar auf Entschädigung durch die Bekleidungsindustrie. Und nach wie vor weigern sich die meisten Unternehmen, wie von der NGWF gefordert eine Vereinbarung zu Brandschutz und Gebäudesicherheit zu unterzeichnen. Auch sieht sich Amin weiterhin Angriffen der Branche ausgesetzt.

Der gefährlichste Arbeitsplatz der Welt

Alke Boessiger von der UNI Global Union, dem weltweiten Dachverband der Gewerkschaften des privaten Dienstleistungsgewerbes, wies in ihrer Laudatio darauf hin, dass Amin schon seit Jahrzehnten gewarnt habe, „dass der gefährlichste Arbeitsplatz der Welt hinter einer Nähmaschine in Bangladesch ist“. Wirtschaftsminister Gabriel unterstrich den Zusammenhang zwischen unmenschlichen Arbeist- und Lebensbedingungen und den weltweiten Flüchtlingsbewegungen.

Es liegt also in der Verantwortung von Verbrauchern und Unternehmen, hier für Verbesserungen einzutreten. Die Wichtigkeit des Themas Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (CSR) hat die Wirtschaft inzwischen erkannt. Ein wesentlicher Baustein ist dabei die Lieferkette (supply chain). Es kommt also darauf an, in jedem Schritt des Produktionsprozesses auf die Einhaltung von Mindeststandards zu achten, etwa durch eine Auditierung von Händlern, Produzenten und Produkten. Der Hinweis, solch eine lückenlose Lieferkette, die den Anforderungen des CSR entspricht, sei nicht möglich, mag dabei wenig zu überzeugen, weil es sehr wohl Branchen gibt, in denen jeder Produtkionsschritt, sprich jedes Kettenglied genaustens überwacht und geprüft wird. Auch durch moderne Technologien stehen hier die nötigen Instrumente eigentlich zur Verfügung.

Es kommt also zum einen auf den Willen der Unternehmen an, sich gemäß des Anspruchs eines ehrbaren Kaufmanns zu verhalten und diese Ethik auf den kompletten Einkaufs- und Produktionsprozess auszudehnen. Ebenso aber auch an den Verbrauchen, solche Erwägungen in sein Kaufverhalten mit einzubeziehen. Oder mit den Worten Gabriels, wer nur vier Euro für sein Shirt bezahlen wolle, wird nichts für die Verbesserung der Arbeitsbedigungen beitragen. Faire Mode ist durchaus machbar. Das gilt freilich für alle Branchen. Dieser Tage kursiert auf Facebook ein Bild mit dem Hinweis: "Wir Deutschen haben kein Geld für fair gehandelten Kaffee zu 30 €/Kilo, stattdessen kaufen wir lieber Kaffee in Kapsel zu 90€/Kilo".

>>> Bündnis für Nachhaltige Textilien
>>> Internationaler Nürnberger Menschenrechtspreis
>>> Artikel in der ZEIT "Die Schande von Rana Plaza" über die noch immer ausstehende Entschädigung der Opfer