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Fokus auf... CSR - Menschenrechtliche Sorgfalt in der Praxis

Gemeinsam, nachhaltig und fair: Die Anforderungen in puncto Nachhaltigkeit und Menschenrechte - CSR (Corporate Social Responsibility) - steigen. Wenn Unternehmen mit Lieferanten gemeinsam Lösungen entwickeln, lassen sich die neuen Vorgaben besser stemmen.

Lange Zeit war Kakaoanbau fast gleichzusetzen mit Kinderarbeit. Dass sich das geändert hat, liegt auch an engagierten Unternehmen wie der Confiserie Paul Reber GmbH in Bad Reichenhall. „Nachhaltig angebaute Produkte zu verwenden und faire Bedingungen vor Ort zu unterstützen gehört zu unserer Qualitätsphilosophie“, betont Geschäftsführer Bernhard Pfaff. Der 53-Jährige begrüßte es daher auch, als 2012 auf Initiative der Bundesregierung und der deutschen Süßwarenindustrie das Forum Nachhaltiger Kakao gegründet wurde. Ein einmaliges Projekt, so Pfaff, bei dem erstmalig Lebensmittelindustrie und -einzelhandel, der Bundesverband der Süßwarenindustrie, die öffentliche Hand und Nicht-Regierungsorganisationen sowie Lieferanten zusammenarbeiten.

Kakao im Einklang mit der Natur

Das Programm unterstützt Kakaobauern vor allem durch agrar- und betriebswirtschaftliche Fortbildungen. Erste Aktivitäten gibt es in Côte d’Ivoire, in Ghana und Nigeria. Dort bauen die Bauern Kakao mittlerweile im Einklang mit der Natur an. Sie haben ihr Farmmanagement optimiert und einen besseren Marktzugang erhalten. Dadurch stieg der Lebensstandard der Bauern – was wiederum eine wesentliche Voraussetzung für den Verzicht auf missbräuchliche Kinderarbeit ist. Einen ähnlichen Fortschritt will Reber mit dem Umstieg auf UTZzertifizierten Kakao erreichen. UTZ ist ein Gütesiegel für den nachhaltigen Anbau von Agrarprodukten. „Durch die Beteiligung an solchen Initiativen entstehen Win-win-Situationen“, freut sich Reber-Geschäftsführer Pfaff. „Die Kakaobauern vor Ort profitieren von fairen Bedingungen, und wir als Confiserie können uns positiv im Markt profilieren.“

Vielfache Wirkung

Initiativen wie das Kakaoforum oder das UTZ-Gütesiegel wirken auf vielerlei Ebenen: Sie unterstützen eine nachhaltige Herstellung und verbessern die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern. Sie sichern aber auch stabile Lieferantenbeziehungen und die Qualität der Produkte – und fördern damit den wirtschaftlichen Erfolg. Schließlich bieten sie Unternehmen die Chance, sich auf Regelungen einzustellen, die derzeit auf dem Feld der Nachhaltigkeit und Menschenrechte diskutiert oder bereits umgesetzt werden. Zehn Millionen Euro Strafe Auf europäischer Ebene etwa fordert die neue EU-Handelsstrategie Unternehmen zu wertebasiertem, nachhaltigem Handeln und Investieren auf, also zum Beispiel zu verantwortungsvollem Lieferkettenmanagement.

CSR-Berichtspflicht kommt!

Die bis zum 6. Dezember 2016 in nationales Recht umzusetzende EU-Richtlinie zur CSR-Berichtspflicht (CSR steht für Corporate Social Responsibility) verlangt: In der Öffentlichkeit stehende, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten müssen regelmäßig informieren, wie sie ihre Verantwortung bezüglich nichtfinanzieller, also sozialer, ökologischer oder menschenrechtlicher Belange wahrnehmen. Liegt kein Bericht vor, kann ein Bußgeld von bis zu zehn Millionen Euro verhängt werden. Die CSR-Berichtspflicht gilt für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2016 beginnen.

Agenda 2030

Noch in der Diskussion befindet sich die neue Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, kurz Agenda 2030. Sie wird die UN-Nachhaltigkeitsziele in eine nationale Strategie umsetzen. Im Zentrum stehen etwa der Schutz der Ökosysteme, die Armuts- und Hungerbekämpfung, die Förderung von Frieden und Rechtsstaatlichkeit,nachhaltiges Wirtschaftswachstum und faire Arbeit. Welche konkreten Aufgaben im Rahmen der Agenda auf die Wirtschaft zukommen, ist unklar. Für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, der auf UN-Leitprinzipien basiert, liegt jetzt eine erste Fassung vor, die Anforderungen an die Wirtschaft formuliert: Dabei geht es um die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht deutscher Unternehmen im Ausland und um eine mögliche Koppelung der Außenwirtschaftsförderung an menschenrechtliche Vorgaben. „Die Wirtschaft begrüßt das Vorantreiben einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt. Die Unternehmen in Bayern bekennen sich zu ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verantwortung und damit auch zu den Menschenrechten. Verantwortliches Wirtschaften in der Tradition des Ehrbaren Kaufmanns ist für den Großteil der überwiegend familiengeführten Unternehmen in Bayern seit jeher selbstverständlich“, sagt Gerti Oswald, CSR-Verantwortliche der IHK für München und Oberbayern.

Zu viele Vorgaben schaden Allerdings dürfe die Politik nicht zu viele Regelungen aufstellen und die Unternehmen, gerade kleinere und mittlere Firmen, damit überfordern. „Das vielfältige freiwillige Engagement der Unternehmen darf aus unserer Sicht nicht durch Standardisierungen, Verpflichtungen und Eingriffe in Unternehmensentscheidungen konterkariert werden“, betont Oswald. „Zu viele Vorgaben beeinträchtigen auch unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit“, ergänzt Frank Dollendorf, IHK-Bereichsleiter Außenwirtschaft.

Prognose: Weitere Verpflichtungen kommen

Sabine Braun (54), Geschäftsführerin der auf Nachhaltigkeitsfragen spezialisierten Unternehmensberatung akzente in München, erwartet allerdings, dass es zu einer weiteren Verrechtlichung von Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsvorgaben kommt. Die Wirtschaft sollte sich auf diesen Trend vorbereiten. „Unternehmen, die sich jetzt schon freiwillig entsprechend aufstellen, sind dann später, wenn die Verrechtlichung tatsächlich kommt, besser gewappnet“, rät Braun und betont die ökonomischen Vorteile: Wer fair mit seinen Zulieferern umgehe, sichere sich verlässliche Lieferbeziehungen. Alles, was die Arbeits- und Umweltqualität in der Wertschöpfungskette verbessere, zahle letztlich auf die Qualität der Produkte ein und sichere damit das eigene Geschäft. „Zudem differenzieren sich nachhaltige und faire Unternehmen positiv von ihren Wettbewerbern und stärken ihre Marke.“ Sabine Braun hält vor allem branchenbezogene Ansätze wie das Forum Nachhaltiger Kakao für sinnvoll.

Jetzt an Schulungen zum Thema teilnehmen

Branchenverbände sollten Informationen, Leitfäden, Handlungsanweisungen oder Schulungen für Unternehmen jeder Größe entwickeln, den Erfahrungsaustausch ermöglichen und damit die Unternehmen befähigen, Vorgaben pragmatisch umzusetzen. Wichtig sei, „dass die Produzenten ihre Zulieferer von Anfang an mit ins Boot holen und gemeinsam nach Lösungen suchen“. Auch dem Entwässerungsspezialisten Kessel AG in Lenting sind CSR und damit auch Menschenrechte wichtig. „Wir haben uns als Mittelständler schon immer ganz selbstverständlich für die Region und unsere Mitarbeiter engagiert“, beschreibt Firmensprecher Florian Holzapfel (34) den CSR-Ansatz. Mittlerweile erweiterte und systematisierte das Unternehmen sein Konzept. So installierte es ein eigenes Nachhaltigkeitsteam, in dem alle zentralen Ansprechpartner und die Geschäftsführung zusammenarbeiten. Diese Gruppe entwarf eine komplexe Nachhaltigkeitsstrategie, die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt. Die Strategie bindet auch Geschäftspartner ein: Kessel entwickelte speziell für Zulieferer einheitliche Standards. Sie legen fest, dass die Zulieferer dem Arbeitsschutz Rechnung tragen, etwa gefährliche Materialien sicher aufbewahren, dass sie die Menschenrechte achten und Kinderarbeit ausschließen. „Wir verlangen nichts Unmögliches, aber doch immer etwas mehr, als die jeweilige Gesetzgebung vorschreibt“, erklärt Holzapfel. Die Umsetzung werde unter anderem bei Besuchen vor Ort überprüft. Die Zulieferer ließen sich auch deshalb darauf ein, weil Kessel ökonomisch argumentiere. Holzapfel: „Indem wir nachhaltig und menschenrechtskonform agieren, verbessern wir gemeinsam auch unsere Marktposition.“

Artikel von Gabriele Lüke, Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern – 09/2016