Herr Wagner, Sie führen bayerische Handwerksbetriebe an den tschechischen Markt heran. Was sind derzeit die dringlichsten Aufgaben?
Im Sommer 2008 wurde eine Reform des tschechischen Gewerberechts beschlossen. Durch diese Reform sind die meisten Handwerkstätigkeiten in Tschechien so genannte „regulierte Gewerbe“ geworden. Wenn ein bayerischer Handwerker in Tschechien Dienstleistungen erbringt, muss er beim Handelsministerium in Prag eine Dienstleistungsanzeige machen. Dabei unterstützen wir die Handwerksbetriebe.
Gilt diese Anzeigepflicht generell für alle Handwerker?
Sie gilt für die Handwerker, die in Tschechien keinen Firmensitz haben, sondern hier nur vorübergehend tätig sind. Den Hauptaufwand hat man im ersten Jahr, dann muss man die Dienstleistungsanzeige jedes Jahr erneuern. Wenn uns ein Handwerksbetrieb darum bittet, erledigen wir die Dienstleistungsanzeige für ihn. Zu unseren Aufgaben gehören sowohl Beratung als auch konkrete Unterstützung bei formalen Prozeduren.
Die Außenwirtschaftsstelle des bayerischen Handwerks wurde kurz nach der Wende gegründet. Seither haben sich die Aufgaben geändert. Worin sehen Sie heute Ihren Hauptauftrag?
In den ersten Jahren bekam die Pilsner Repräsentanz viele Anfragen zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und zu den Geschäftschancen. In den Jahren danach ist der Qualitätsanspruch an die Beratungen ständig gestiegen. Die Unternehmen wendeten sich an die Pilsner Repräsentation, wenn sie Beratung bei der Ausarbeitung von Kooperationsverträgen brauchten, oder wegen Hilfestellung bei Firmengründungen und der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen, Unterstützung beim Immobilienerwerb oder bei der Suche nach qualifizierten Führungskräften.
Sie haben die Geschäftschancen für bayerische Handwerksbetriebe in Tschechien angesprochen. Wie steht es heute damit?
Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnten bayerische Firmen von erheblichen Kostenvorteilen profitieren. Diese Phase klingt in den Köpfen noch nach. In vielen Köpfen steckt noch die Gleichung: Tschechien ist gleich Billiglohnland. Diese Unterschiede bei den Lohnkosten gibt es nach wie vor, aber die Schere klafft nicht mehr ganz so weit auseinander wie früher. Die Krone ist aufgewertet worden, die Reallöhne sind gestiegen, das macht sich in der Kaufkraft bemerkbar. Es ist heute einfach eine Tatsache, dass Tschechien neben Österreich und der Schweiz der dritte Auslandsmarkt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bayern ist. Das ist der Paradigmenwechsel, der in den Köpfen noch nicht so stattgefunden hat.
Womit können bayerische Handwerksbetriebe heute in Tschechien punkten?
Wenn man den Kunden von der Qualität überzeugen kann, dann kaufen die auch. Im ländlichen Raum in Westböhmen funktioniert die Werbung von Mund zu Mund.
Welche Voraussetzungen muss ein bayerischer Handwerksbetrieb mitbringen, um auf dem tschechischen Markt erfolgreich zu sein?
Tschechien ist ein wachsender Markt, im Baubereich z.B. bei Privataufträgen sogar ein Verkäufermarkt. Es ist gar nicht so leicht, einen Handwerker für Ausbesserungsarbeiten zu finden. Beim Verkauf von Produkten und Dienstleistungen müssen Sie die Sprache des Landes sprechen. Daran scheitert es bei vielen Firmen, weil die Firma niemanden hat, der das leisten kann. Es muss auch die Personaldichte gegeben sein, der Betrieb muss genügend Personal haben. Und die Firma muss beständig sein in ihren Bemühungen. Man kommt nicht sofort zum Zug, das ist ein stetiger Prozess. Nach zwei Jahren kann man sich überlegen: Mache ich hier weiter oder nicht.
Können Sie mir ein Beispiel für eine Erfolgsstory nennen?
Nehmen Sie zum Beispiel Kunststofffenster. Das ist ein Produkt, das in Polen und auch in Tschechien billiger hergestellt wird als in Bayern. Da sagt jeder, das kannst du vergessen, das kauft dir in Tschechien keiner ab. Aber es gibt bayerische Handwerksbetriebe, die bauen ihre etwas teureren Kunststofffenster in Gebäuden in Tschechien ein. Sie bieten, was der Exportschlager des bayerischen Handwerks ist: termintreu, pünktlich, professionell, hochqualitativ.
Wegen dieser Vorteile greifen die Kunden tiefer in die Tasche?
Die Kunden sind begeistert: Sie werden bedient, beraten, ohne dass gleich ein Kaufabschluss getätigt werden muss. Sonst schlagen die Kunden die Hände über dem Kopf zusammen, wenn Handwerker ins Haus kommen: Mensch, jetzt muss ich drei Tage Urlaub nehmen, ich muss aufpassen, dass die nichts kaputt machen. Die Kunden sind bereit, den bayerischen Handwerksbetrieben Aufträge zu geben, weil sie sehen, das lohnt sich.
Lohnt es sich denn auch für den bayerischen Handwerksbetrieb?
Der tschechische Markt ist kein Massengeschäft. Das würden die meisten Betriebe auch gar nicht bedienen können. Aber es ist so, dass Tschechien auch ein Absatzmarkt geworden ist für mittelständische bayerische Firmen.
Wie sieht das Profil des typischen Kunden von bayerischen Handwerkern in Westböhmen aus?
Die meisten Aufträge kommen von deutschen Firmen. Ein Handwerker wird zum Beispiel von einem deutschen Auftraggeber, der eine Niederlassung in Tschechien hat, gebeten, an einer Baustelle eine Reparatur durchzuführen. Die Firmen nehmen ihre altbewährten Handwerker mit. Aber es gibt auch Aufträge von Privatleuten. Beispielsweise von Tschechen, die lange in Deutschland gelebt haben und jetzt ein Haus in Tschechien bauen oder von Deutschen, die sich in Tschechien ein Haus gekauft haben.
Es ist also keine langfristige Entscheidung, wenn ein bayerischer Handwerker in Tschechien etwas macht, sondern er nimmt einen konkreten Auftrag wahr.
Meistens sind es keine strategischen Entscheidungen. Obwohl es auch Firmen gibt, die sagen: Das ist jetzt unser Markt, da müssen wir mit einer Niederlassung präsent sein.
Wie hoch ist der Anteil der Handwerksbetriebe, die ihre Zelte in Tschechien nach einem Versuch, sich hier zu etablieren, wieder abbrechen?
Von den Unternehmen, die die BHI beim Aufbau einer tschechischen Niederlassung unterstützt hat, ist noch einer zurückgegangen. Früher kamen Maschinen- und Werkzeugbauer nach Tschechien, um über eine Mischkalkulation ihre Standorte in Bayern kostendeckend zu halten. Durch den Lohnkostenvorteil wurden sie wieder wettbewerbsfähig. Die Phase der verlängerten Werkbänke ist eigentlich abgeschlossen. Heute müssen Sie den Kunden von der Qualität made in Germany überzeugen.
Ist die tschechische Bauwirtschaft der interessanteste Markt für bayerische Handwerker?
In den ersten Jahren nach der Wende war die Metallwirtschaft dominant. Danach hat der Bausektor an Bedeutung gewonnen. Heute sind die Baunormen ein Problem in der gesamten EU. Sie sind noch nicht harmonisiert. Vielfach gelten nationale Normen. Der Exporteur von Baudienstleistungen hat das Problem, dass er nachprüfen muss, ob seine Baumaterialien den nationalen Baunormen entsprechen, ob die auch den Anforderungen des Architekten entsprechen.
Wie kommen die Unternehmen zu Ihnen?
Viele kommen über die bayerischen Handwerkskammern zu uns. Unsere typische Klientel sind die kleinen Handwerksbetriebe. Wenn die Unternehmen mit unserer Beratung zufrieden sind, kommen sie immer wieder. Wenn es ein neues Problem gibt, wenden sie sich wieder an uns. Die Zahl der Firmenberatungen hat sich bei etwa 230 im Jahr eingependelt.
Bayern Handwerk International hat auch eine Reihe von Studien für die Handwerker erarbeitet.
Wir haben Branchen- und Marktstudien erarbeitet, die einen Überblick über rechtliche Bestimmungen und marktrelevante Informationen geben. Diese Informationsmaterialien werden ständig aktualisiert. 2005 haben wir eine CD-Rom mit dem Titel „Wirtschaftspartner Tschechien“ herausgebracht und 2006 eine Studie über das Kraftfahrzeuggewerbe in Tschechien. Heute haben wir gemeinsam mit der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz die Studie „Liefern und leisten nach Tschechien“ erstellt.
An welchen Projekten arbeiten Sie jetzt gerade?
Wir bereiten das nächste Pilsener Fachgespräch vor. Unsere Fachgespräche finden einmal in zwei Monaten statt, im kleinen Kreis von bis zu 12 Teilnehmern hier in Pilsen. Das letzte Fachgespräch im November hatte Forderungsmanagement zum Inhalt. Das nächste Thema ist „Abwicklung von Bautätigkeiten unter der Berücksichtigung des Baurechts in Tschechien“. Das Fachgespräch findet am 29. Januar 2009 statt. Ein Architekt aus Prag wird referieren, danach gibt es eine Diskussion. Parallel dazu arbeiten wir in Projekten mit den bayerischen Handwerkskammern sowie auch mit der Außenhandelskammer in Prag zusammen.
Herr Wagner, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Interview: Maria Hammerich-Maier
Kontakte:
Repräsentanz des bayerischen Handwerks in Pilsen
Günter Wagner/MiroslavaTomanová
Riegrova 1
301 00 Plzeň
Tschechien
Telefon und Fax: 00420 377 222 660
E-Mail: g.wagner@bh-international.cz und m.tomanova(at)bh-international.cz
Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer
Cesko-nemecká obchodní a prumyslová komora
Václavské nám. 40
110 00 PRAHA 1
TSCHECHIEN
Tel.: +420 224 221 200
Fax: +420 224 222 200
E-Mail: info(at)dtihk.cz
Internet: http://tschechien.ahk.de
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Feringastrasse 6
85774 München - Unterföhring
Tel. +49-89-99216362
Fax: +49-89-99216366
E-mail : muenchen(at)czechinvest.org
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Libellenstraße 1
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Fax: +49 89 950 36 88
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Internet: http://www.mzv.cz/munich
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Ostendstraße 100
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Fax: +49 911 531 60 01
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