Zahl der Flüchtlinge verdoppelt
2014 wurden deutschlandweit 173.072 Asylbewerber registriert - allein in Bayern waren es 25.667. Somit stieg 2014 die Zahl der Asylbewerber um mehr als 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2015 wird eine weitere Steigerung erwartet. Vor allem aus Syrien, Eritrea und Afghanistan strömen die Flüchtlinge nach Bayern. Nur 27,3 Prozent der Einwanderer erhalten übrigens den Status Flüchtling, 27,7 Prozent der Anträge werden des weiteren abgelehnt. Die Antragssteller werden mit sofortiger Wirkung in ihr Heimatland abgeschoben. Dass die steigende Zahl der Flüchtlinge immer prekärer wird, sprach Bundekanzlerin Angela Merkel im ARD-Sommerinterview an. Zunächst einmal müsse jetzt klar gestellt werden, wer in Deutschland ein Recht auf Asyl hätte: "Wir können nicht jedem, der glaubt, dass hier wirtschaftlich die Dinge besser laufen, dass man eine Chance auf einen Arbeitsplatz hat, Asyl gewähren."
Steigende Gewaltbereitschaft gegen Flüchtlinge
Doch mit den Einwanderungsströmen, steigt auch die Gewalt gegen Flüchtlinge. Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime habe sich 2014 verdreifacht und sei im ersten Halbjahr 2015 erneut deutlich gestiegen, so das Fazit des Bundesamts für Verfassungsschutz. Erst im Juli brannte eine geplante Asylbewerberunterkunft in der Nähe von Ingolstadt, in der Münchener Bayernkaserne kommt es immer wieder zu Vergewaltigungen und anderen Gewalttaten gegen Frauen und Kinder unter anderem durch das Wachpersonal, von der rasstischen Hetze auf Facebook und Co. gar nicht erst angefangen.
Dass es auch anders geht, bewies der Erlanger Busfahrer Sven Latteyer. Er hatte 15 junge Ausländer in Deutschland willkommen geheißen: "Excuse me Ladies and Gentlemen, from all over the world in this Bus – I want to say something. I want to say welcome. Welcome to Germany, welcome to my country. Have a nice day!", sagte er durch sein Mikrofon und wird dafür in sozialen Netzwerken gefeiert. Dieses Engagement rührte sogar Moderator Claus Kleber im heute-journal vor laufender Kamera zu Tränen.
Fachkräftepotenzial erkennen
Doch egal wie groß das Elend, die steigenden Zahlen, die Unterbringungsprobleme; eins wird oftmals übersehen: Das Fachkräftepotenzial der Flüchtlinge. So verfügen die meisten Einwanderer über eine gute schulische und berufliche Qualifikation, rund 1/12 haben ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen. Hier finden sich häufig die in Bayern vielfach gesuchten Ingenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler.
Jedoch ist die aktuelle Arbeitsmarktsituation überaus komplex. Flüchtlinge, die asylberechtigt anerkannt sind, haben zwar einen unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind, erhalten lediglich eine Duldung, die meist auf wenige Wochen begrenzt ist und danach wieder erneuert wird. Beim Arbeitsmarkteintritt gilt eine dreimonatige Wartezeit sowie die Vorrangprüfung durch Arbeitsagentur. Bei der Vorrangprüfung wird die Frage geklärt, ob die Stelle auch mit arbeitssuchend gemeldeten Personen besetzt werden kann, deren Arbeitsmarktzugang nicht beschränkt ist.
IHK Schwaben: Praktika für junge Flüchtlinge
Ein besonderes Pilotprojekt startete die IHK Schwaben im November des vergangen Jahres. So will die IHK junge Flüchtlinge zwischen 16 und 21 Jahren besser in den Arbeitsmarkt integrieren. Erstes Ziel sei es, den derzeit 180 ausländischen Schülern in sogenannten Flüchlingsklassen der Berufsschulen im zweiten Jahr Praktikumsplätze in regionalen Unternehmen zu vermitteln. Das sei der Türöffner für eine spätere Lehrstelle.
Ein Ausbildungsplatz ist jedoch noch keine Garantie in Deutschland zu bleiben. Die Ausbildung steht immer unter dem Damoklesschwert der möglichen Abschiebung. Die bayerischen IHKs fordern daher das sogenannte "3+2-Modell". Drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre Berufseinstieg ohne Gefahr der Abschiebung. Das erhöhe die Rechts- und Planungssicherheit bayerischer Unternehmen.
Ausbildungsakquisiteur für junge Flüchtlinge
Auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern hat ein Standbein für junge Flüchtlinge ins Leben gerufen: Sie beschäftigt eigens einen Ausbildungsakquisiteur, um sowohl junge Flüchtlinge als auch Handwerksbetriebe gezielt unterstützen zu können. Der Akquisiteur informiert im Rahmen der schulischen Berufsorientierung junge Flüchtlinge über eine Berufsausbildung im Handwerk und vermittelt bei Interesse und Eignung der Jugendlichen in Praktika und Ausbildungsverhältnisse. Außerdem klärt er Ausbildungsbetriebe über rechtliche Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarktzugang junger Flüchtlinge auf. Der Ausbildungsakquisiteur wird vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert.
(Text von Cornelia Schmidmeier)