Es war eine Woche der Superlative: Eine in ihrer Art einmalige Veranstaltung in der höchstgelegenen deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in der Nähe des höchsten freistehenden Fahnenmastes und der höchsten Twin Towers (Petronas Towers, 452 Meter hoch) der Welt. 14 IHK-Mitarbeiter und Unternehmer aus Deutschland hatten Mitte März die Gelegenheit, an der Außenwirtschaftsfortbildung der Auslandshandelskammer Malaysia (Malaysian-German Chamber of Commerce, MGCC) in der Hauptstadt Kuala Lumpur teilzunehmen. „Neuigkeiten, Spaß und Erinnerungswert“ hat der stellvertretende Geschäftsführer und Marketingchef der MGCC, Thomas Brandt, in Aussicht gestellt – und hatte nicht zu viel versprochen.
Was machen AHKs eigentlich?
„Nur wenige wissen, wer und was genau hinter einer AHK steckt und wie wir hier arbeiten. Deshalb haben wir bereits zum zweiten Mal zu dieser Veranstaltung eingeladen“, sagte Geschäftsführer Dr. Rainer Herret zum Auftakt der Fortbildung. Nur zu ca. 25 Prozent werden die AHKs staatlich unterstützt, der Rest kommt aus eigenen Mitteln, was der Grund für die entgeltpflichtige Dienstleistung der AHKs ist. Mit dieser Erklärung nahm Rainer Herret gleich zu Anfang dem bei vielen Wirtschaftsakteuren immer noch häufigen Kritikpunkt des Kostenaufwands für den AHK-Service den Wind aus den Segeln. Die Hauptaufgaben der insgesamt 120 AHK-Büros in 77 Ländern sind branchenspezifische Marktstudien, Absatzberatung, Reiseorganisation und Vereinbarung von Geschäftsterminen und Produktpräsentationen sowie rechtliche Auskunft in Sachen Vertragsgestaltung oder Arbeitsrecht.
Neben diesen Dienstleistungen hat die MGCC mit ihren insgesamt 18 Mitarbeitern den Firmenpool eingerichtet, bei dem mehrere Firmen eine Interessengemeinschaft bilden und ihren Markteinstieg durch ein gemeinsames Auslandsbüro vorbereiten und betreuen lassen können – ein kostengünstiger Markteinstieg. Neuste Innovation von Vizechef Thomas Brandt ist das so genannte Office-in-the-office-Angebot: Teilnehmende Firmen erhalten eine permanente Büroadresse bei der MGCC. Ein Mitarbeiter der AHK wird benannt, der die Betreuung übernimmt und dann Ansprechpartner für interessierte potenzielle malaysische Geschäftspartner wird. Zusätzlich darf die Branchen-Datenbank genutzt werden.
Standort Malaysia
Lange Zeit stand das 25-Millionen-Einwohner-Land im Schatten des Nachbarstaates Singapur. Doch Malaysia hat sich nach Angaben von Dr. Rainer Herret „in Südasien zu dem Technologiezentrum schlechthin“ entwickelt und bietet für Firmen aus den Sektoren IT, Medizintechnik, Umwelttechnologie, Dienstleistungen und Konsumgüter hervorragende Chancen. Machten 1970 noch Rohstoffe wie Kautschuk, Zinn, Zinn, Öl und Gas den Großteil der Exporte aus, überwogen 2004 Industriewaren deutlich. Vorteile des kleinen, aber feinen Staates: Politische Stabilität, zentrale Lage innerhalb der ASEAN-Staaten, eine gute Infrastruktur sowie die Geschäftssprache Englisch.
Ungenützte Chancen und schlechte „Verkäufer“
Deutschland ist für Malaysia hinter Großbritannien und den Niederlanden der drittwichtigste Absatzmarkt in der EU. Bisher sind rund 360 deutsche Firmen in Malaysia vertreten. „Die wichtigste und vielversprechendste Branche in Malaysia ist der Maschinenbau“, so Rainer Herret. Schwierig allerdings seien die fehlenden Kundendienststrukturen, ein dringend zu lösendes Problem, mit dem aber viele asiatische Staaten zu kämpfen haben. Eine zunehmende Rolle werden auch die erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Wind- und Solarenergie spielen, so Herrets Prognose. Fazit zum malaysischen Markt: „Trotz des guten Rufs gibt es in Malaysia noch nicht die erwünschte deutsche Präsenz. Es gibt noch viele ungenützte Chancen“, so Herret. Hinzu komme, dass viele deutsche Unternehmen immer noch unzureichende Öffentlichkeitsarbeit und Werbung leisten, meint Thomas Brandt: „Viele deutschen Firmen sind einfach nicht sichtbar. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Firmen und führt leicht zum Eindruck, dass die Unternehmen nicht genug Geld für ihren Produktverkauf haben.“
Konnten Berge versetzen: Elektrisola
Ein Bild von einer erfolgreichen deutschen Firmenpräsenz in Malaysia konnten sich die Kursteilnehmer am zweiten Tag der AHK-Woche bei einer Werksbesichtigung machen. Der Kupferlackdrähte-Hersteller „Elektrisola“ aus dem nordrhein-westfälischen Reichshof-Eckenhagen hat auf einem Berg im Dschungelgebiet nahe Kuala Lumpur eine ihrer weltweit insgesamt acht Fertigungsstätten errichtet. Dazu konnte Elektrisola im wahrsten Sinne Berge versetzen: Für das Werk wurde wegen der für die Kupferdrahtherstellung optimalen reinen Höhenluft die Kuppe des Berges, der in einem Naturschutzgebiet liegt (!) – komplett abgetragen. Im Dschungel scheint folglich alles möglich. Die Augen der Teilnehmer wurden immer größer, als sich der Bus immer weiter und höher durch das als undurchdringlich scheinende Grün des Naturschutzgebietes schlängelte, bis die Gruppe schließlich vor einer hochmodernen Produktionsstätte mit mehreren hundert Mitarbeitern angelangt waren. Beeindruckend war der Firmenrundgang: Stapelweise Kupferspulen mit verschieden dicken Drähten, der zarteste um eine Vielfaches dünner als das Haar eines Menschen!
Kulturschock Genting
Dass im Dschungel noch mehr ungeahnte Dinge schlummern, wurde beim nächsten Programmpunkt deutlich: 50 Kilometer von Kuala Lumpur entfernt gibt es in fast 2000 Meter Höhe den Freizeitpark Genting, ein bei Malaysiern beliebtes Ausflugsziel – und für die Teilnehmer aus Deutschland nach der noch schönen Gondelfahrt aufwärts ein regelrechter Kulturschock: Spielhöllen reihen sich an Kasinos, dazwischen immer wieder eine Hotelklotz, überall flimmert und rauscht es, ein Riesenrad in einer Halle, daneben das riesige Abbild der amerikanischen Freiheitsstatue auf einem überdimensionalen Harley-Davidson-Motorrad sitzend. Amüsement sieht in Malaysia eben anders aus als bei uns.
Interkulturelles, weitere Programmpunkte und Fazit
Um weitere interkulturelle Unterschiede ging es im eintägigen Seminar in der MGCC. Experte Thomas Brandt gab einen interessanten Abriss über die Geschichte Malaysias und führte in die Tricks und Gepflogenheiten des Asiengeschäfts ein. Fazit: Viel Zeit und Geduld mitbringen für Geschäftstätigkeiten mit Asiaten. Und: In Asien schließt man erst Freundschaft miteinander, dann macht man Geschäfte. – In Europa ist es in der Regel umgekehrt.
Auf dem Wochenprogramm standen außerdem ein Mittagessen beim Deutschen Botschafter Herbert D. Jess (siehe Foto) und ein Besuch des Goethe Instituts. Nicht zu vergessen: Die kulinarischen Ausflüge in chinesische, japanische, indische und malaysische Restaurants. Und die Shoppingtour auf dem Nachtmarkt in Chinatown von Kuala Lumpur, eine nicht ganz stressfreie Angelegenheit, da die Teilnehmer hier ihre Handelsgeschick unter Beweis stellen mussten und nachts garantiert von Uhren geträumt haben!
Es war eine erlebnisreiche und interessante Woche in jeder Hinsicht – ob es um Doing Business, Interkulturelles oder um das Kennenlernen eines südasiatischen Landes ging. Beeindruckend war und ist, wie gut die diversen ethnischen Gruppen mit ihren unterschiedlichen Religionen (muslimisch, hinduistisch, buddhistisch, christlich) in Malaysia miteinander leben und auskommen. Einer der wichtigsten Punkte war der Erfahrungs- und Meinungsaustausch zwischen den AHK und IHK-Kollegen sowie den Unternehmern aus Sachsen-Anhalt, Hamburg und Bayern, die von guten und negativen Erlebnissen ihrer ausländischen Geschäftstätigkeit berichten konnten. Damit konnten beiden Seiten, Veranstalter und Teilnehmer, viel an Informationen, Erfahrungen, Anregungen und vielleicht auch konkrete Projektideen für sich mitnehmen.+++Karoline Rübsam
Kontakt:
Malaysian-German Chamber of Commerce and Industry (MGCC)
Suite 47.1, Level 47, Menara Ambank, 8, Jalan Yap Kwan Seng
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Telefax: +60-3-2072 1198
Email: info(at)malaysia.ahk.de
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