Jetzt haben die Verhandlungspartner USA und Kanada innerhalb der von ihnen selbst gesetzten Zeitgrenze am 30. September - quasi in allerletzter Minute - eine Einigung über das die Neuausrichtung des Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada erzielt. Mit der Umbenennung in „USMCA“ hat US-Präsident Trump sein Wahlversprechen eingehalten, den Begriff „NAFTA“ zu tilgen.
Mexiko
Für Mexiko ist das Abkommen von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung. Mexiko ist Bayerns wichtigster Handelspartner in Lateinamerika und aufgrund seiner zentralen Bedeutung für die Automobilindustrie (nicht zuletzt wegen des NAFTA-Abkommens) als weltweit siebtgrößter Herstellungsstandort von strategischer Bedeutung für die bayerische Automobilindustrie. Diese sind neben zahlreichen Zulieferern aus Bayern vor Ort mit eigenen Werken aktiv.
Christian Weber, der das Büro der Bayerischen Repräsentanz in Mexiko leitet, ist nahe dran am Geschehen und hat die Neuerungen aus bayerischer Perspektive analysiert.
Einigung in Etappen: Das neue Abkommen
Die Verhandlungspartner erzielten nach der von ihnen selbst gesetzten Zeitgrenze am 30. September quasi in allerletzter Minute eine Einigung über das neue Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada. Mit einem Kompromiss in der Agrarfrage konnte Kanada gegenüber den USA den Erhalt der trilateralen Streitschlichtungskommission erreichen. Mit der Umbenennung in „USMCA“ hat US-Präsident Trump sein Wahlversprechen eingehalten, den Begriff „NAFTA“ zu tilgen. Bereits am 27. August 2018 hatten Mexiko und die USA eine bilaterale Übereinkunft zum künftigen trilateralen Freihandelsabkommen erzielt. Man einigte sich auf die Erhöhung des Local Contents für die Automobilindustrie von derzeit 62,5% auf 75% sowie die Einführung einer Lohnklausel, wonach 40% der Komponenten (Wertschöpfung) eines Fahrzeuges aus Standorten stammen müssen, bei denen die Löhne für Industriearbeiter bei mindestens 16 US-Dollar liegen. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten alle sechs Jahre einen Beschluss über das Fortbestehen des Abkommens fassen müssen bzw. Anpassungen vornehmen können. Die USA hatten zunächst ein Zeitfenster von nur zwei Jahren gefordert (“Sunset Clause”).
Zeitdruck politisch begründet - Umsetzung wird noch dauern
Der zuletzt große Zeitdruck bei den Verhandlungen war politisch bestimmt und diente dem Zweck, vor den anstehenden Kongresswahlen in den USA und vor dem Amtsantritt des neuen mexikanischen Präsidenten die Parlamente der drei Länder über das neue Freihandelsabkommen entscheiden zu lassen. Die Zeichen für eine parlamentarische Zustimmung stehen nicht schlecht. In Mexiko hat sich nicht nur die scheidende Regierung von Enrique Peña Nieto, sondern auch die künftige Regierung von Andrés Manuél López Obrador (AMLO) zufrieden mit den Verhandlungsergebnissen gezeigt. Da AMLO über eine Mehrheit im Kongress verfügt, gilt in Mexiko die Zustimmung zu USMCA als sicher. Nach der ersten Runde der parlamentarischen Ratifizierung bis Ende November 2018 wird es nach Meinung von Experten aber noch einige Zeit dauern, bis das USMCA-Abkommen in Kraft treten wird. Ein realistischer Termin für das Inkrafttreten von USMCA ist der 1. Januar 2020. Bis dahin bleibt der NAFTA-Vertrag in der aktuellen Fassung in Kraft. Für die neuen Regeln im Bereich der Automobilindustrie gibt es eine Übergangsfrist von drei Jahren. Das würde bedeuten, dass die strengeren Ursprungsregeln für die Automobilindustrie erst ab dem 1. Januar 2023 in Kraft träten.
Neue Ursprungsregeln für die Automobilindustrie
Bayerische Unternehmen in Mexiko bzw. mit Geschäftsbeziehungen nach Mexiko werden am stärksten von den Änderungen im Automobilbereich betroffen sein. Unmittelbar werden sich die neuen Regeln voraussichtlich erst ab dem Jahr 2023 auswirken, aber mittelbar durch die Verflechtungen in der Zulieferkette bereits heute, da erfahrungsgemäß die Kunden (OEMs) die Anforderungen an ihre Lieferanten schon jetzt neu definieren. Künftig wird der Local Content im Automobilbereich bei 75% liegen. Das bedeutet, dass 75% des wertmäßigen Inputs bei der Herstellung eines Fahrzeuges aus Mexiko, USA oder Kanada stammen müssen, wenn man die Zollfreiheit beim Export aus Mexiko in die USA oder nach Kanada in Anspruch nehmen möchte. Neu wird die Regel sein, wonach 40% der Komponenten aus Standorten mit einem Stundenlohn von mindestens 16 US-Dollar kommen müssen. Der durchschnittliche Lohn mexikanischer Industrie-Arbeiter ist rund acht Mal geringer (bei rund zwei US-Dollar), oder mit anderen Worten: Der Stundenlohn in den USA und Kanada ist ein Tageslohn in Mexiko. Laut Handelsstatistik stammen schon heute fast 50% der Komponenten der in Mexiko hergestellten Fahrzeuge aus den USA. Global betrachtet, ist das Ziel also bereits erfüllt. Auf der Ebene einzelner Unternehmen und Produkte sieht es jedoch anders aus. Dort werden im Einzelfall auch die größten Herausforderungen vermutet. Unklar ist auch, wie die Messung und der Nachweis in der Praxis erfolgen soll. Mexikanische Experten weisen darauf hin, dass innerhalb dieses 40%-Anteils nur 25% der Lohnkomponente von Industrie-Arbeitern stammen muss, bei denen ein krasses Missverhältnis bei den Löhnen zwischen Mexiko und den USA bzw. Kanada besteht. Die übrigen 75% der Lohnkomponente könnten von Ingenieurleistungen usw. stammen, wo das Lohngefälle weniger ausgeprägt ist. Die Lohnanteil-Regelung könnte in Mexiko zu einer weiteren Technologisierung der Produktion (mehr Ingenieure, weniger Arbeiter, mehr Automatisierung) führen. Bei den OEMs ist das heute in Mexiko schon tendenziell feststellbar. Die Zulieferer haben hier noch Nachholbedarf. Darüber hinaus könnte es in Mexiko auch eine allgemeine Lohnsteigerung geben, was auch im Sinne der künftigen mexikanischen Regierung wäre, die liberale Prinzipien mit sozialer Verantwortung verbinden möchte. Mit der Ausweitung der lokalen Produktion dürfte daher in Mexiko der Bedarf nach Aus- und Weiterbildung steigen.
Mögliche Konsequenzen für bayerische Unternehmen
Die in Mexiko ansässigen bayerischen Automobilzulieferer stehen vor der Herausforderung, einen höheren Anteil ihrer Vorprodukte aus Mexiko, den USA oder Kanada zu beziehen. Je nach Produkten ist dies mehr oder weniger schwierig. Zu den Herausforderungen beim Einkauf kommt ein gestiegener Aufwand beim Ursprungsnachweis. Die Zahl der damit befassten Mitarbeiter wird deutlich steigen. Bisher in Bayern/ Europa ansässige Zulieferer stehen vor der Frage, ob sie ihren Kunden nach Nordamerika folgen oder auf Aufträge von Automobilwerken in Nordamerika verzichten. Für Maschinen- und Anlagenbauer könnten sich neue Aufträge ergeben. Denn lokale Zulieferer in Nordamerika (insbesondere in Mexiko) müssen ihre Produktion modernisieren, um die Standards ihrer Kunden zu erfüllen und ggf. wird die Lohnkostenfrage eine höhere Automatisierung nach sich ziehen.
Kontakt:
Christian Weber
Repräsentant des Freistaats Bayern in Mexiko
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Ciudad de México
Tel (MX) 0052 55 4172 2548
E-Mail: bayern.mexiko(at)gmail.com
Quelle: News International IHK Nürnberg