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Großbritannien: Bereiten Sie Ihr Unternehmen auf den Brexit vor

London (28.03.2018) Am 29. März 2019 tritt das Vereinigte Königreich formal aus der EU aus. Nach einer Übergangsfrist bis Ende 2020 endet die Anwendung von EU-Recht für Großbritannien. Welche Vorbereitungen können Unternehmen - bei allen Unbekannten - schon jetzt ergreifen? Unternehmen sollten sich auf einen tatsächlichen Austritt des Königreichs aus der EU einstellen.

Nach dem formalen Austritt von Großbritannien Ende März 2019, gefolgt von einer Übergangsphase bis Ende 2020 besteht das realistischste Brexit-Szenario aus einem ab Anfang 2021 geltenden Freihandelsabkommen. Die Europäische Kommission und das Vereinigte Königreich haben sich auf eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2020 geeinigt. Innerhalb dieser Übergangsphase sollen nach Vorstellung beider Seiten Großbritannien weiter Teil der Zollunion und des Europäischen Binnenmarkts mit allen vier Grundfreiheiten bleiben. Unternehmen erhielten so die benötigte Zeit für die innerbetriebliche Vorbereitung auf den tatsächlichen Austritt.

Die EU-Staats- und Regierungschefs sprachen sich am 23. März 2018 für ein Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich nach Ablauf der Übergangsphase aus. Auch das Königreich strebt ein Freihandelsabkommen an, damit es seinerseits mit weiteren Drittstaaten Freihandelsabkommen schließen kann. Im Kern heißt dieses aber nur, dass auf Waren mit britischem oder EU-Ursprung keine Zölle im Warenverkehr zwischen der EU und dem Königreich anfallen werden. Wenn es zu einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien kommen wird, hätte das einige Konsequenzen.

Die wichtigen Änderungen

1. Zollanmeldungen

Für deutsche Unternehmen bedeutet dies, dass  ab dem 1. Januar 2021 eine Rückkehr zu Zollanmeldungen erfolgt. Unternehmen, die bislang nur an Kunden innerhalb des Europäischen Binnenmarkts geliefert haben, sollten rechtzeitig entsprechendes Export-Wissen aufbauen, um künftig Zollanmeldungen für ihr Großbritannien-Geschäft abgeben zu können.

2. Präferenznachweise und Präferenzkalkulation

Waren, die sich innerhalb der EU im freien Verkehr befanden, konnten bislang zollfrei zwischen Großbritannien und Deutschland hin und her geliefert werden. Künftig ist das nur noch dann der Fall, wenn die Nachweise für einen EU- bzw. UK-Präferenzursprung vorliegen. Liegen die Nachweise nicht vor, fallen künftig soweit dann vorgesehen bzw. vereinbart Zölle an. Bereits heute sollten Unternehmen den Anteil ihrer britischen Vorerzeugnisse genau betrachten und ihren Wert ermitteln und gegebenenfalls nach alternativen Bezugsquellen für ihre Vorprodukte suchen.

3. Preise überprüfen

Ausfuhren nach Großbritannien werden künftig einen höheren personellen, administrativen und finanziellen Aufwand erfordern. Unternehmer sollten dies bereits jetzt bei Ihrer Preiskalkulation berücksichtigen. Auch ist ein möglicher Zoll auf die Produkte und ein Risiko aufgrund Währungsschwankungen in die Kalkulation mit einzubeziehen und zu prüfen, ob die Ware dann noch konkurrenzfähig auf dem britischen Markt ist.

4. Wartezeiten für Lieferprozesse

Unternehmen werden sich gerade in den Anfangszeiten auf längere Lieferzeiten einstellen müssen. Es muss eine zollrechtliche Abfertigung erfolgen. Da momentan auf britischer Seite circa 5.000 Zollbeamte fehlen und auch entsprechende IT-System eingerichtet werden müssen, ist zu erwarten, dass es zunächst zu Lieferverzögerungen kommt.

5. Lieferketten überprüfen

Unternehmen aus der Region, die bislang Waren aus Großbritannien oder britischen Ursprungs beziehen, sollten jetzt ihre Lieferketten überprüfen. Die wichtigste Frage für das Überprüfen derartiger Lieferketten: Verfügt mein britischer Lieferant für seine Produkte künftig noch über die notwendigen EU-Zulassungen für das Inverkehrbringen seiner Waren? Typen-Zulassungen durch britische Zulassungsbehörden verlieren nach aktuellem Kenntnisstand nach Ablauf der Übergangsfrist ihre Gültigkeit für den EU-Binnenmarkt.

6. Anzeigepflicht bei bestimmten Gütern

Bei der Einfuhr bestimmter Waren, wie medizinische oder kosmetische Produkte, aus Drittstaaten in die EU bestehen für den Hersteller und/oder Importeur bestimmte Anzeigepflichten. Zudem müssen Sicherheitsbeauftragte benannt werden, die in der EU ansässig sein müssen. Mit dem Austritt aus der EU gelten britische Unternehmen nicht mehr als EU-Importeure, so dass die Anzeigepflicht auf deutsche Unternehmen übergeht. Auch hier sollten Unternehmen rechtzeitig Maßnahmen ergreifen.

7. CE-Kennzeichnungen – Benannte Stelle

Bestimmte Produkte, wie beispielsweise medizintechnische Geräte, dürfen in der EU nur dann in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Diese Kennzeichnung darf nur angebracht werden, wenn geregelte produktspezifische Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurden. Für bestimmte Produktbereiche ist die Präsenz einer sogenannte „Benannten Stelle“ (Notified Body) erforderlich. Die Benannte Stelle hat den Auftrag, die Konformität von Produkten entsprechend geltender EU-Vorschriften zu prüfen. Im Vereinigten Königreich angesiedelt, verlieren Benannte Stellen ab dem Austrittsdatum ihren EU-Status. Deutsche Unternehmen, die für ihre Produkte eine CE-Kennzeichnung benötigen, müssen nach dem Brexit sicherstellen, dass die erforderlichen Zertifikate von einer anerkannten Benannten Stelle mit Sitz in der dann EU-27 ausgestellt werden.

8. Verträge mit britischen Geschäftspartnern

Bestehende Verträge mit britischen Geschäftspartnern sollten zu einem geeigneten Zeitpunkt auf die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Zu den zu überprüfenden Vertragsklauseln zählen die Wahl des geltenden Rechts und des Gerichtsstands, die Definition des „Gebiets der EU“ (bei Lizenz- oder Vertriebsverträgen), mögliche Vertragsergänzungen zum Ausgleich von Zöllen oder zur Währungsabsicherung. Vertragliche Regelungen zu CE-Kennzeichnungen sowie EU-Normen müssen ebenfalls neu definiert werden. Bei Dienstleistungs-, Arbeits- oder Handelsvertreterverträgen sind Neuregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Dienstleistungserbringung zu beachten.

9. Steuerliche Änderungen

Insbesonders im umsatzsteuerlichen Bereich kommen massive Änderungen auf die Unternehmer zu, da steuerfreie Lieferungen in ein Drittland andere Regelungen haben, als  Lieferungen im Binnenmarkt. Fraglich ist auch, ob sozialrechtliche Erleichterungen, wie das Formular A 1 weiterhin Geltung haben werden.

10. Auswirkungen auf die Limited

Es ist sehr fraglich, ob eine Haftungsbeschränkung für eine Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland weiter bestehen wird. In diesem Bereich gibt es für Unternehmen einen großen Handlungsbedarf.

11. Messe- und Montagearbeiten

Da Großbritannien in allen denkbaren Fällen zu einem Drittland wird, werden in Zukunft für Dienstleistungen in Großbritannien andere Regelungen gelten als im EU-Binnenmarkt. Inwieweit zukünftig Visa und Arbeitserlaubnisse erforderlich werden, bleibt abzuwarten. Für Berufs – und Messeausrüstung wird voraussichtlich ein Carnet-A.T.A. erforderlich sein.

12. Irland-Vertrieb überprüfen

Oft bearbeiten britische Vertriebspartner den irischen Markt für ihre deutschen Auftraggeber gleich mit. Unternehmen sollten deshalb schon jetzt prüfen, ob dieser Ansatz auch für die Post-Brexit-Zeit noch der richtige Weg für sie ist. In einem ersten Schritt sollten Unternehmen für sich prüfen, welches tatsächliche Geschäftspotential der irische Markt für das eigene Unternehmen bietet. Ist dieses Marktpotential nennenswert, sollte das deutsche Unternehmen danach überlegen, ob es den irischen Markt künftig besser direkt über einen irischen Vertriebspartner, als über den britischen Vertriebspartner bearbeiten möchte.

13. Softwaresysteme rechtzeitig anpassen

ERP-Anpassungen und Änderungen anderer Softwareprogramme brauchen ihre Zeit. Unternehmen veranschlagten in mit dem Brexit vergleichbaren Situationen eine Anpassungszeit von sechs bis neun Monaten. Ein frühzeitiger Start empfiehlt sich deshalb.

>>> Ansprechpartner bei weiteren Fragen: silvia.engels-fasel(at)wuerzburg.ihk.de (IHK Würzburg-Schweinfurt).