Ein Seufzer der Erleichterung geht durch die deutsch-britische Business Community aufgrund des erfolgreichen Verhandlungsendes über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Es bleibt aber ein Seufzer, denn der Handel mit Gütern und Dienstleistungen über den Kanal wird nach dem 1. Januar 2021 für viele so oder so schwieriger und teurer werden.
Von der deutsch-britischen Wirtschaft wird sehr begrüßt, dass die mühsamen Verhandlungen über ein zukünftiges Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich (VK) und der EU zu einem positiven Abschluss gekommen sind. Wir kennen noch nicht die Details, aber man darf sich nicht täuschen lassen: tiefgreifende Veränderungen sind so oder so auf dem Weg und die Abwicklung vieler kommerzieller Transaktionen über den Ärmelkanal wird sich ab dem 1. Januar 2021 signifikant ändern.
Ab dem ersten Tag nach der Brexit-Übergangsphase wird der Handel mit Gütern und Dienstleistungen teurer werden und in einigen Fällen deswegen unter Umständen sogar zum Erliegen kommen. Dies gilt insbesondere auch aufgrund des Inkrafttretens des neuen britischen Immigrationsgesetzes, welches das Potential hat, die Ausführung mancher grenzüberschreitenden Dienstleistungen unmöglich zu machen. Wie immer liegt der Teufel im Detail und viele dieser Details wurden bisher übersehen oder sind nicht genügend berücksichtigt worden (wie mit den vielen, teilweise noch unklaren, Zollformalitäten umzugehen ist, ist nur ein Beispiel). Dass man sich auf kein umfassenderes Abkommen über die zukünftigen Handelsbeziehungen einigen konnte, hat seinen Preis: verlorene Chancen – nicht nur für kleinere Unternehmen, sondern auch für die größeren, für die die regulatorischen Kosten in den kommenden Monaten und Jahren noch stärker ins Gewicht fallen werden. Dies wird außerdem im Endeffekt zu weniger Wettbewerb führen und somit für uns alle das Leben teurer machen.
Trotzdem ist dieses Freihandelsabkommen extrem wichtig, denn eine „verbitterte“ Scheidung des VK und der EU hätte noch höhere Kosten mit sich gebracht und potentiell die Grundlage für zukünftige Gespräche und Vereinbarungen über den Kanal untergraben. In Theresa Mays Worten, eine Sache ist klar: das Vereinigte Königreich hat die EU verlassen, aber nicht Europa. Wir müssen alle weiterhin zusammenarbeiten, um globale Herausforderungen anzugehen, ob das Coronavirus ist, Klimawandel, die Einhaltung von Recht und Ordnung, armutsabhängige globale Migration oder die vielen schwelenden Konflikte in der Welt.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Brexit in seiner gegenwärtigen Ausprägung es für junge Leute schwerer machen wird, andere Kulturen zu erleben. Praktika, Arbeitsaufenthalte und Studiermöglichkeiten im VK und in Europa werden in manchen Fällen durch die neuen Immigrationsregeln massiv behindert werden und außerdem werden sie in vielen Fällen teurer, insbesondere da das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des Erasmusprogramms sein wird. Unbedingt zu vermeiden ist, dass die nächsten Generationen, im Gegensatz zu denen in der Vergangenheit, solcher Möglichkeiten beraubt werden.
Daher stehen beide Seiten jetzt vor der wichtigen Aufgabe, ein Rahmenwerk zu erarbeiten, was allen Menschen und Firmen Möglichkeiten zum Austausch, Wachstum und Wohlstand bieten kann. Die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer und ihre Mitglieder sind bereit, die Erarbeitung dieses zukünftigen Rahmenwerks zu unterstützen.
Dr. Ulrich Hoppe
Hauptgeschäftsführer
Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer, London
(Quelle: Pressemitteilung der AHK London)