Kräftige Exportüberschüsse als Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke Bayerns gehören nach einer neuen Studie des ifo Instituts der Vergangenheit an. Das Bundesland muss sich damit von einem wesentlichen Markenzeichen seines rasanten Wirtschaftsaufschwungs der Nachkriegszeit verabschieden. Bereits seit 2019 ist Bayern kein Netto-Exporteur von Gütern mehr, das heißt, es bezieht mehr Waren aus dem Ausland als es exportiert. Bis zum Jahr 2022 stieg das Exportdefizit auf einen Jahreswert von 34,2 Milliarden Euro, auch getrieben durch außergewöhnlich hohe Energiepreise. Die Daten für 2023 liegen noch nicht vollständig vor, bis einschließlich November beträgt das Defizit im Güterhandel aber 9,5 Milliarden Euro. Das ifo Institut geht von einem dauerhaften Trend zu Exportdefiziten in Bayern aus.
Belastungen am Industriestandort Bayern
„Zwar sind Exportüberschüsse oder -defizite für sich genommen weder gut noch schlecht. Aber hohe Exporte sind ein Ausdruck von Wettbewerbsfähigkeit und dafür, dass Güter ‚Made in Bavaria‘ gefragt sind“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien und Mitautor der Studie. Auftraggeber war die IHK für München und Oberbayern. Auch fällt die Industrieproduktion in Bayern ebenso wie in Deutschland insgesamt seit 2018 zurück. Im selben Zeitraum haben Österreich und der Euroraum teils Zuwächse verzeichnet. Zudem liegen die Anlageinvestitionen in Deutschland dauerhaft auf einem niedrigen Niveau. „Das sind deutliche Anzeichen für Belastungen am Industriestandort Bayern: Zu diesen gehören fehlende Fachkräfte, hohe Energiepreise und Defizite bei der Digitalisierung. Besonders betroffen sind die Automobilbranche und die chemische Industrie“, sagt der Volkswirt weiter.
Als weitere Erklärung für die Industrieschwäche in Bayern werden auch Hemmnisse im freien Welthandel und Subventionsprogramme im Ausland genannt. Diese Faktoren beschleunigen ebenfalls Produktionsverlagerungen bayerischer Hersteller nach Asien und in die USA. Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, sagt, dass sich der Industriestandort Bayern nicht vom noch stärkeren gesamtdeutschen Abwärtssog lösen könne. Eine tiefgehende Anpassung stehe bevor. „Der strukturelle Wandel ist voll im Gange. Politik und Wirtschaft sollten das Beste aus ihm machen, ihn offensiv und schöpferisch annehmen. Die Hightech-Agenda Bayern ist eine richtige und wichtige Antwort. Die Grundausrichtung muss heißen: auf Forschung und Entwicklung setzen, auf Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“, sagt Gößl.
„Gleichzeitig braucht die Wirtschaft insgesamt unbedingt Rückenwind durch steuerliche Anreize für Investitionen, weniger Bürokratie, schnelle Genehmigungen, moderne Infrastruktur, sichere Energieversorgung sowie erstklassige Aus- und Weiterbildung. Nicht zu vergessen ist die Stärkung des Welthandels mit neuen Freihandelsabkommen, um bestehende Hemmnisse abzubauen und die nötige Diversifizierung voranzutreiben“, sagt der IHK-Chef. Gößl verweist auch auf das große Potenzial der bayerischen Wirtschaft im Dienstleistungsexport, insbesondere bei digitalen Dienstleistungen.
Derzeit, so die vorliegende ifo-Analyse, ist Bayern allerdings auch bei Dienstleistungen ein Netto-Importeur. Die ifo-Kurzstudie „Exportdefizitland Bayern: Ausdruck einer Industrie-Standortschwäche?“ ist online unter www.ihk-muenchen.de/exportdefizit sowie unter www.ifo.de erhältlich.