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Bayern an der Spitze der Patentanmeldungen in Deutschland!

Was macht eigentlich... das Europäische Patentamt (EPA) in München? Im Gespräch mit Auwi-Portal-Redakteurin Karoline Rübsam erklärt EPA-Sprecherin Jana Mittermeier Funktion und Aufgaben ihrer Behörde.

Zur Person:

Jana Mittermaier ist seit 2015 Pressesprecherin und Direktorin für Externe Kommunikation beim Europäischen Patentamt. Sie hält einen Master Abschluss der Edinburgh University in Europäischer Politik und hat mehr als 15 Jahre Berufserfahrung - unter anderem in der Wirtschaft bei der Siemens AG, als Leiterin des EU Büros der Nichtregierungsorganisation Transparency International, im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, und in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Bosnien und Herzegowina.

Was schützt ein Patent und welche Erfindung/Produkt ist überhaupt patentfähig?

Jana Mittermeier: Patente schützen technische Erfindungen und werden von einem nationalen oder internationalen Patentamt wie dem EPA für einzelne Länder und für eine befristete Zeit erteilt. Ein Patent gibt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu untersagen, die Erfindung ohne seine Zustimmung herzustellen, zu nutzen oder zu verkaufen.

Eine Erfindung kann zum Beispiel ein Erzeugnis, ein Verfahren oder eine Vorrichtung sein. Sie ist nur dann patentierbar, wenn sie neu und gewerblich anwendbar ist sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Was genau sind die Aufgaben des EPA? Werden hier "nur noch" die einheitlichen EU-Patentanträge" abgewickelt?

Jana Mittermeier: Die Kerntätigkeit des Amts ist die Prüfung von Patentanmeldungen und die Erteilung europäischer Patente. Grundlegender Bestandteil des europäischen Patentsystems ist auch die Veröffentlichung der Patentanmeldungen und Patente und der darin enthaltenen Erfindungen. Das EPA verfügt über eine Sammlung von über 90 Millionen Patentdokumenten aus aller Welt, auf die die Öffentlichkeit über den kostenlosen Dienst Espacenet im Internet zugreifen kann.

In Zukunft wird das EPA auch für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ("Einheitspatent") zuständig sein. Das Einheitspatent bietet Nutzern neben den nationalen und klassischen europäischen Patenten eine weitere Option. Es wird ein vom EPA nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) erteiltes europäisches Patent sein, dem nach der Erteilung auf Antrag des Patentinhabers einheitliche Wirkung für die Hoheitsgebiete der 26 am Einheitspatentsystem teilnehmenden Staaten verliehen wird. Die bestehende Prüfungs- und Erteilungstätigkeit des EPA bleibt daher vom Einheitspatent unberührt.

Unternehmen, die ihre Erfindungen EU-weit rechtlich schützen möchten, erwarten sich von der Einführung des Einheitspatents wesentliche Zeit- und Kosteneinsparungen. 

Sind es überwiegend Großunternehmen oder auch viele Einzeltüftler oder Kleinere Betriebe, die Patente anmelden?

Jana Mittermeier: Eine Analyse einer repräsentativen Auswahl an Rechercheanträgen beim EPA zeigt, dass 2015 rund 26% der Anmeldungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) stammten. Dies unterstreicht die wichtige Rolle des EPA als Dienstleister für kleinere Firmen. Nach den Ergebnissen der Analyse kamen 5% der Anmeldungen von Forschungsinstituten beziehungsweise Universitäten. 69% stammten von größeren Unternehmen.

Durch die Einführung des einheitlichen EU-Patents wurden ja die Ausgaben für den Patentanmelder gesenkt. Welche Kosten kommen bei einer Anmeldung genau auf: einen zu? Wie lange dauert das Prozedere der Patenterteilung?

Jana Mittermeier: Bei einer Patentanmeldung werden verschiedene Gebühren erhoben, z.B. Anmeldegebühr, Recherchengebühr, Benennungsgebühren, Anspruchsgebühren, Prüfungs-, Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr. Außerdem fallen ab dem dritten Jahr nach dem Anmeldetag Jahresgebühren an. Die Kosten für ein europäisches Patent hängen sehr von der Zahl der benannten Staaten und der geplanten Laufzeit des Patents ab. Als Anhaltspunkt: Bei einem Patent belaufen sich die Gebühren bis zur Erteilung momentan im Schnitt auf circa 5.000 EUR.

Da ein Einheitspatent erst nach der Erteilung eines europäischen Patents entstehen kann, bleiben diese Verfahrensgebühren unverändert. Eine erhebliche Kostenreduzierung bei der Wahl eines Einheitspatents entsteht nach der Erteilung des Patents durch Wegfall der nationalen Validierungsverfahren, die bei einem klassischen europäischen Patent traditionell anfallen. Darüber hinaus werden die Kosten für die Aufrechterhaltung des Einheitspatents im Vergleich zu einem klassischen europäischen Patent um bis zu 78% reduziert. Das Einheitspatent wird hierdurch auch für KMU, Universitäten, Forschungszentren und Einzelerfinder eine attraktive Option.

Die Dauer des europäischen Patenterteilungsverfahrens beträgt etwa drei bis fünf Jahre ab dem Anmeldetag.

Zahlen: Wie viele Patentanträge gab es 2015 aus Deutschland und aus Bayern, welches Bundesland liegt an der Spitze? Wie viele Patente wurden erteilt? Wieviele Anmeldungen stammen aus NON-EU-Staaten?

Jana Mittermaier: Im Jahr 2015 kamen 24.820 der Anmeldungen beim EPA aus Deutschland (3,2% weniger als im Jahr zuvor). Damit lag die Bundesrepublik in den Top 3 vor Japan und hinter den USA. Im Vergleich aller 38 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO) vereinte Deutschland die meisten europäischen Patentanmeldungen auf sich, vor Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. Mehr als die Hälfte (53%) aller Anmeldungen beim EPA stammten von außereuropäischen Firmen/Erfindern.

Insgesamt hat das EPA im Jahr 2015 ungefähr  68 400 Patente erteilt, davon 14.122 an deutsche Anmelder. Damit verzeichnete Deutschland nach den USA die zweithöchste Zahl an Erteilungen.

Im Bundesländer-Ranking lag Bayern mit 6.961 Anmeldungen beim EPA im Jahr 2015 – mit der „Patent-Hauptstadt“ München (3.777 Anmeldungen) – vor Baden-Württemberg (5.054 Anmeldungen) und Nordrhein-Westfalen (4.961 Anmeldungen) an der Spitze.

Was ist das bislang Kurioseste, für das das EPA ein Patent erteilt hat?

Jana Mittermaier: Wir haben leider keine Sammlung von kuriosen Patenten. Solche Erfindungen werden auch sehr oft gar nicht als Patent angemeldet, sondern als Gebrauchsmuster, was beim EPA nicht möglich ist.