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Bayern - Äthiopien - langfristige Partnerschaft angestrebt

Nürnberg (Oktober/November 2019) - Linda Schraml ist seit April dieses Jahres Leiterin der bayerischen Afrikabüros in Addis Abeba. In den letzten 15 Jahren hat sie an der Schnittstelle zwischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und Privatwirtschaft gearbeitet. Seit vier Jahren arbeitet sie für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ – zunächst als EZ-Scout im Handwerk und im Bereich der beruflichen Bildung und nun für das Global Business Network Programm in Äthiopien. In Äthiopien konnte sie an ihre Arbeitseinsätze in Mosambik und in unterschiedlichen afrikanischen Ländern anschließen – auch hierbei ging es meist darum die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen aus der Perspektive der deutschen Wirtschaft zu sehen und die EZ-Strukturen mitzudenken. Studiert hat Linda Schraml Regionalwissenschaften Lateinamerika in Köln.

Bitte skizzieren Sie kurz die Aufgaben und Ziele des Bayern-Büros in Äthiopien!

Das Bayerische Afrikabüro ist die Drehscheibe des Freistaats Bayern für den Austausch und die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten sowie der Afrikanischen Union. Das Büro koordiniert Bayerns Engagement in den Bereichen Wirtschaft, Berufliche Bildung und Entwicklungszusammenarbeit und ist die bayerische Kontaktstelle für ganz Afrika. Durch die Verknüpfung dieser Themenbereiche bietet das Büro eine Anlaufstelle sowohl für bayerische Unternehmer, die an Investitionen in Äthiopien interessiert sind als auch für Vertreter afrikanischer Staaten, die den Kontakt zur Bayerischen Staatsregierung suchen. Darüber hinaus fungiert das Büro als Informationsstelle für die Bayerische Staatsregierung zu aktuellen Entwicklungen innerhalb der Afrikanischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten. Derzeit geht es darum, Kontakte und Verbindungen zu knüpfen und zu vertiefen. Das Bayerische Afrikabüro ist an die Infrastruktur der GIZ und dessen Global Business Network-Programm (GBN) angeknüpft, welches ebenfalls eine Ansprechstruktur für deutsche und internationale Unternehmen bietet und zu Kooperationsmöglichkeiten mit der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) berät.

Warum hat der Freistaat ein Bayern Büro in Äthiopien eröffnet?

Äthiopien ist das Modelland des Bayerischen Afrikapakets. Das bedeutet, dass Bayern eine langfristige Partnerschaft mit Äthiopien anstrebt, in der durch gemeinsame Projekte die Entwicklung Äthiopiens unterstützt werden soll. Addis Abeba ist darüber hinaus als „bayerische Basis“ in Afrika der strategisch richtige Ort: Als Hauptsitz der Afrikanischen Union sind hier alle afrikanischen Staaten vertreten. So kann Bayern zu allen afrikanischen Ländern seine Kontakte verstärken, insbesondere auch zu Partnerländern wie Tunesien.

Welche Marktchancen für KMU bietet das Land Äthiopien, welche Branchen haben gute Aussichten

Die äthiopische Regierung hat eine sehr stringente Industrialisierungsstrategie, die darauf abzielt, Äthiopien 2025 zum Leichtmanufaktur-Hub und zum lower-middle-income-country zu machen. In diesem Rahmen sollen bis zu 22 Industrieparks aufgebaut werden, die als Sonderwirtschaftszonen fungieren und je nach Branche, Produktionsstandort und Fertigungstiefe unterschiedliche Vergünstigungen und Investitionsanreize bieten. Die Schwerpunktsektoren der äthiopischen Regierung – die auch vornehmlich in den Industrieparks vertreten sind – sind Textilwirtschaft und Bekleidung, Leder und Schuhe, Pharmazie und Nahrungsmittelverarbeitung sowie übergreifende Sektoren wie Energie, Bauwirtschaft und Infrastruktur. Überschneidende Themen mit der deutschen Wirtschaft sind Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik, Erneuerbare Energien sowie der gesamte Bereich der Umwelttechnologie sowie know-how-transfer und Unterstützungsprozess bei (semi-)industriellen Produktionsprozessen. Insbesondere da Deutschland und in Deutschland hergestellte Produkte in Äthiopien einen sehr guten Ruf genießen, werden hier Geschäftspotentiale für deutsche Firmen und Produkte gesehen.

Die äthiopische Regierung versucht hohe Umweltstandards in den Industrieparks umzusetzen bspw. mit Hinblick von Abwasserreinigung in der Textil- und Lederwirtschaft. Außerdem zeichnen sich erste Erfolge der Investitionsstrategie ab: Äthiopien hatte in 2017 einen Investitionszuwachs von 46% und gilt als eine der Top-Investitions-Destinationen in Afrika. 18,5% der durch FDI geschaffenen Jobs – sind in Äthiopien.

Insbesondere durch staatliche Investitionen in den Infrastrukturbereich wurden im letzten Jahrzehnt jährliche zweistellige Wachstumsraten generiert, aber Privatwirtschaft wurde durch unterschiedliche Maßnahmen (wie bspw, die Liberalisierung von Schlüsselsektoren wie Telekommunikation, Logistik etc) eine immer größere Rolle eingeräumt. Zusätzlich gelingt es der aktuellen Regierung insbesondere auch in Person des neuen Premierministers Abiy Ahmed Ali, der gerade den Friedensnobelpreis gewonnen hat eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen und lang überfällige Reformprozesse anzustoßen. Unter anderem deshalb wurde Äthiopien auch für die Reformpartnerschaft des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ausgesucht, welche die Sonderinitiative (SI) Jobs beinhaltet, bei welcher das BMZ explizit deutsche und europäische Privatwirtschaft und Unternehmen anspricht, um diese bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten und Investitionen in Äthiopien zu unterstützen und dadurch Jobs zu schaffen.

Wo sehen Sie die bayerisch-äthiopischen Beziehungen in fünf Jahren?

Wir wünschen uns, dass sich die Beziehungen zwischen Bayern und Äthiopien vertieft haben werden und dass es in vielen Bereichen konkrete gemeinsame Projekte gibt. Für Äthiopien wünschen wir uns, dass es den bereits so erfolgreich begonnenen Weg fortsetzt, wirtschaftlichen Aufschwung erlebt und weiterhin als Stabilitätsanker am Horn von Afrika wirkt.

Welche Hemmnisse oder Stolpersteine könnte es für Unternehmer geben, die sich wirtschaftlich in Äthiopien engagieren möchten?

Hohe Bürokratie und mangelnden Zugang zu Devisen sind nach wie vor große Herausforderungen für äthiopische Unternehmen, aber auch deutsche und internationale Investoren sowie deutsche Unternehmen die vor Ort den Markt erschließen wollen. Nichtsdestotrotz steigt das Interesse bei deutschen Unternehmen und wir kriegen kontinuierlich Anfragen von deutschen KMU, die sich für den äthiopischen Markt interessieren. Die hohe Bürokratie zeigt sich bspw. bei der Eröffnung einer Repräsentanz sowie der Gründung eines Unternehmens, wo die Unternehmen mit sehr konkreten und detaillierten Anforderung konfrontiert sind (bspw. mit Hinblick auf Mitarbeiterzahl, Bürogröße, Qualifikation etc.). Darüber hinaus ist von internationalen Investoren eine Mindesteinlage von 200.000 Euro erforderlich. Äthiopien belegt beim Ease-of-Doing-Business-Index der Weltbank 2018 Rang 161 von 190 Ländern und liegt damit zum Teil weit hinter anderen ostafrikanischen Ländern wie Djibouti (Rang 154), Uganda (Rang 122) und Kenia (Rang 80). Um ein Gewerbe anzumelden, müssen Unternehmer/innen in Äthiopien etwa 33 Tage einplanen – fast viermal so viel Zeit wie im Schnitt der OECD-Staaten. Hinzukommen unzureichende Kapazitäten und Kenntnisse bei den Behörden und teils auch unzureichend definierte Regelungen, wodurch der Übergang von politischer auf operative Ebene oftmals schwierig von statten geht. Die Wertschöpfung im Land ist sehr gering, wodurch die industrielle Produktion von einer sehr hohen Importabhängigkeit geprägt ist.

In diesem Zusammenhang finde ich es sehr wichtig nochmal auf die zahlreichen Unterstützungsangebote der deutschen Bundesregierung in Äthiopien zu verweisen. Angefangen bei der erfolgreich aufgesetzten Kooperation zwischen GBN, der regional zuständigen AHK und der deutschen Botschaft vor Ort – wodurch Unternehmensanfrage je nach Bedarf beantwortet werden können. Gleiches gilt für das Bayerische Afrikabüro und natürlich die oben erwähnte Sonderinitiative (SI) Jobs des BMZ sowie das neu gegründete Wirtschaftsnetzwerk Afrika des BMWi (Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie) und den kürzlich ins Lebens gerufenen Entwicklungsinvestitionsfond der deutschen Bundesregierung, welcher neben dem erwähnten Wirtschaftsnetzwerk Afrika zwei Fonds der DEG und KfW enthält (AfricaConnect und AfricaGrow), um deutsche Unternehmen in Afrika zu unterstützen.

Das Interview führte Karoline Rübsam/Außenwirtschaftsportal Bayern