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Hartnäckiges Handwerk

Auch das Handwerk in Bayern wurde kalt von Corona erwischt. Wie es um die Betriebe in Bayern und wie es um die Internationalisierung des bayerischen Handwerks steht, wollte Außenwirtschaftsportal-Redakteurin Karoline Rübsam von Edith Böhm und Doris Göbl von Bayern Handwerk International wissen.

 

Edith Böhm ist seit Mitte 2021 Geschäftsführerin von Bayern Handwerk International. Die gebürtige Regensburgerin und ausgebildete Handelsfachwirtin hat in Passau, Odessa und Granada Kulturwirtschaft studiert und ist seit 1999 für Bayern Handwerk International in Nürnberg tätig. Doris Göbl ist bei Bayern Handwerk International Leiterin der Außenwirtschaftsberatung und Prokuristin (Gesamtprokura). Sie hat in Passau und Málaga, Kulturwirtschaft studiert und ist seit 2012 für Bayern Handwerk International in München tätig.

 

Zunächst das allgegenwärtige Thema: Die Welt steckt immer noch im Bann der Corona-Pandemie. Trotzdem heißt es, dass es für das Handwerk in Deutschland besser denn je läuft. Wie liefen die letzten 1,5 Jahre speziell für Handwerksbetriebe in Bayern?

Natürlich spürt auch das Handwerk die Auswirkungen der Pandemie, je nachdem in welcher Branche der Betrieb tätig ist. Die Grenzschließungen in den ersten Monaten der Pandemie und die sehr strengen Grenzkontrollen im Frühjahr 2021 haben zu großen Unabwägbarkeiten bei den Betrieben geführt und das Abarbeiten von Aufträgen im Ausland teilweise erschwert, verzögert und manchmal leider auch verhindert. Dennoch waren wir selbst erstaunt, wie hartnäckig und erfolgreich die Betriebe dran blieben und ihr Auslandsgeschäft weiter betrieben.

Viele Betriebe konzentrieren sich momentan darauf, im Inland gut über die Runden zu kommen. Da bleibt kaum oder gar keine Zeit, neue Märkte im Ausland zu erobern. Haben Sie das bei den Handwerksbetrieben auch beobachtet?

Das beobachten wir eigentlich nicht. Das Interesse ist nach wie vor groß.

Die Anmeldungen für unsere Online-Seminare sind sehr gut. Im Nachgang zu den Seminaren fordern die Teilnehmer häufig noch individuelle Beratungen ein. So können wir die Betriebe noch intensiver beraten. Insgesamt haben wir auch 2021 ein erhöhtes Anfragevolumen zu verzeichnen. Das ist auch den Einreisequarantäne Verordnungen geschuldet, die meist sehr kurzfristig kamen, dafür mit vehementen Auswirkungen hinsichtlich dersehr strengen Ein- und Ausreisebestimmungen beispielsweise.

Die dauerhaften und vermehrten Anfragen zeigten uns, dass die Firmen weiterhin ihren Exportaktivitäten nachkommen möchten undauf intensive Beratung durch unsere Außenwirtschaftsberater angewiesen sind. Tendenziell beobachten wir, dass für das Handwerk nach wie vor überwiegend die nahen Märkte und damit die europäischen Ländervon hohem Interesse sind. Auch die Unternehmerreisen und Messeauftritte werden nach wie vor nachgefragt. Die aktuelle Situation fordert allen Akteuren höchste Flexibilität und auch Kraft: den Betrieben, den Mitarbeitern im Betrieb, den Messebaufirmen, den Messegesellschaften und natürlich auch uns, als Organisatoren von Gemeinschaftsbeteiligungen des bayerischen Handwerks auf Fachmessen im Ausland.

Im Veranstaltungsbereich kommt es momentan öfters vor, dass eine Veranstaltung „fertig“ organisiert ist und kurz davor dann verschoben oder gar abgesagt werden muss. Die Auswirkungen für uns OrganisatorInnen sind dann immens. So wurden unsere beiden Januarmessen beispielsweise innerhalb weniger Tage vier Wochen vor Messestart auf Mai 2022 verschoben, aber glücklicherweise nicht abgesagt. Die Betriebe zeigen auch hier eine enorme Flexibilität, weil Messen wichtige Instrumente ihrer Marketingstrategie sind.

 

Seit diesem Sommer haben Sie das Ruder bei BHI übernommen: Was wird anders, was wird es Neues geben unter Ihrer Führung?

Edith Böhm: Das Ruder habe ich nicht alleine übernommen.  Dr. Frank  Hüpers ist seit vielen Jahren Geschäftsführer bei BHI und Doris Göbl hat im Juli Gesamtprokura erhalten und leitet nach wie vor die Außenwirtschaft. Wir sind die Exportfördergesellschaft des bayerischen Handwerks und werden von den sechs bayerischen Handwerkskammern und dem bayerischen Wirtschaftsministerium getragen. Unsere Aufgabe ist es, bayerische Handwerksbetriebe bei ihren Exportaktivitäten durch die individuelle Beratung und die Organisation von Gemeinschaftsständen, Projekten und Seminaren zu unterstützen.

Selbstverständlich bauen wir unsere Dienstleistungen konstant weiter aus, erweitern unser Beratungsportfolio und bringen Veranstaltungen für neue Themen. So haben wir in den letzten Jahren vieles für die Musikinstrumentenbauer und das restaurierende Handwerk angeboten. Das Thema Energie, Bau/Ausbau, Maschinenbau sind wichtige Branchen für uns. Ein neues Thema ist beispielsweise die  Entsorgung von Baustoffen in wichtigen Nachbarländern, wozu wir gerade Informationen für die Betriebe zusammenstellen.

Wir digitalisieren unser Angebot und passen es auf neue Formate an: Mit Online-Seminaren haben wir beste Erfahrungen gemacht. Auch Beratungen via Videokonferenzen, Informationen zum digitalen Messeauftritt und dergleichen mehr geben wir an unsere Betriebe weiter.

WCHTIG ist aber: wir sind überzeugt, dass Präsenzveranstaltungen, seien es Reisen, Messen oder auch Seminare sicherlich bei einigen Themen ins digitale Format verschoben werden können. Nichts destotrotz gibt es Themen, bei denen die persönliche Begegnung weiterhin enorm wichtig sein wird. Das erfahren wir auch in unseren täglichen Gesprächen mit unseren Betrieben: Digital dort, wo es um Zeit und Kostenersparnis geht und auch inhaltlich geht, z.B. Erstinformationen zu einem bestimmten Thema. Aber der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen und wird sich auch in vielen Bereichen, durch nichts ersetzen lassen.

Die Nachbarländer Österreich, Schweiz, Tschechien und Italien sind ja die Top-4 der Auslandsmärkte für Bayerns HandwerkerInnen. Gibt es kommende Märkte, die viel versprechend sein könnten?

Die Pandemie hat in meinen Augen – viele davon überzeugt – dass der EU-Binnenmarkt oder auch die Schweiz und EFTA sehr gute Märkte sind. Das hat viele Gründe, nicht nur die schnelle Erreichbarkeit, auch die Vorteile des Binnenmarktes spielen hier sicher eine Rolle. Die nahen Märkte waren für das Handwerk immer schon wichtig und werden es, verstärkt durch die Pandemie, wahrscheinlich auch bleiben. Aber natürlich ist auch hier abzuwägen, um welches Gewerk es sich handelt.

Was ist Ihrer Erfahrung das wichtigste Kriterium für einen Handwerksbetrieb, wenn er ins Ausland gehen will? Worauf muss geachtet werden?

Edith Böhm:  in diesem Falle rate ich dem Betrieb: Zeit, Geld, Geduld, eine große Portion Neugierde und - je nach Produkt oder Dienstleistung - Pioniergeist mitzubringen. (manchmal auch viel BISS!)

Der Freistaat Bayern fördert die Aktivitäten bayerischer Betriebe im Ausland. Das beginnt bei den Messebeteiligungsprogrammen, bis hin zu Go International  und Start-up International und einigen neuen Förderprogrammen, die gerade am Entstehen sind.

Aber das wichtigste ist, das hervorragende Beratungsangebot der bayerischen Handwerkskammern und von Bayern Handwerk International anzunehmen und sich bei den AußenwirtschaftsberaterInnen (am besten VOR der Annahme eines Auftrages) eingehend beispielsweise zur Entsendmeldung, Zollfragen und vielem mehr kostenfrei bei uns oder den KollegInnen der Handwerkskammern beraten zu lassen.