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Im Gespräch: Lateinamerika
Sie haben gerade die IHK Kontakttage Lateinamerika hinter sich, bei denen es um Geschäftspotentiale für KMU dieser Region der Welt ging. Was konnten Sie beobachten? Welche Märkte waren – und sind gerade besonders gefragt?
Für eine Erstveranstaltung in dieser Form mit den deutschen Auslandshandelskammern (AHKn) als Partner vor Ort sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden. 275 Beratungsgespräche unterstreichen dies und motivieren uns zu weiteren Aktivitäten.
Die Nachfrage an Beratungsgesprächen bei den sechs größten lateinamerikanischen Volkswirtschaften (Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru) war wie zu erwarten groß. Der Schwerpunkt lag insbesondere auf Brasilien. Eine sehr positive Beobachtung war aber, dass eben „Rohdiamanten“ wie Bolivien, Ecuador, Panama, Paraguay und Uruguay gefragt waren und letztlich auch stärker in den Fokus rückten. Vor allem die „kleineren“ Länder Lateinamerikas bieten gute Marktchancen. Aufgrund ihrer überschaubaren Größe können Kosten und Risiken beim Markteinstieg reduziert werden.Bei den Beratungsgesprächen war die komplette Dienstleistungspalette der AHKn gefragt: Von Fragen zu allgemeinen Vorschriften und Registrierungspflichten beim Ex- und Import über Unterstützung bei der Geschäftspartnersuche bis hin zum Produktionsaufbau. Auch Förderprogramme wie z.B. „Go International“ fanden großes Interesse.
Mit dieser positiven Resonanz wird die IHK Nürnberg für Mittelfranken den Kontinent weiter verstärkt im Blick behalten und plant deshalb ein Lateinamerika-Forum im Frühjahr 2023.
Viele Länder Lateinamerikas kämpfen mit Problemen wie geringem Wirtschaftswachstum, sozialer Ungleichheit und natürlich wie überall der COVID-19-Pandemie. Warum sollte sich ein KMU hier trotz dieser schwierigen Voraussetzungen wirtschaftlich engagieren?
Ob Politik oder Wirtschaft, viele Staaten Lateinamerikas stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Hinzu kommen die Folgen der COVID-19-Pandemie und die Corona-Hilfsprogramme, die zu weiterer finanziellen Belastung vieler bereits verschuldeter Länder führt. Und trotzdem: Lateinamerika bleibt ein attraktiver Wirtschaftspartner für eine Vielzahl von deutschen Unternehmen.
Mehr als 640 Millionen Menschen leben auf einer Fläche von 20 Millionen Quadratkilometern; dies ist fast fünfmal so groß wie die EU und mehr als doppelt so groß wie China. Im Gegensatz zu Europa kann Lateinamerika mit einer überwiegend jungen Bevölkerung aufwarten. Das größte Plus der Region sind die vorhandenen Rohstoffe, wie beispielsweise Kupfer und Lithium, die zum Bau von Batterien für Elektrofahrzeuge benötigt werden.
Ferner brachte die Pandemie in einzelnen lateinamerikanischen Ländern vieles in Bewegung. Es sind zum einen deutliche Fortschritte in der Digitalisierungsagenda zu konstatieren. Zum anderen möchte man die Pandemie durch Technologie- und Know-how-Transfer überwinden. Mehrere Gründe also, genauer und differenzierter auf die lateinamerikanischen Märkte zu blicken.
Uruguay beispielsweise investierte über mehrere Jahre hinweg stark in den Gesundheitssektor, so dass während der Pandemie im Jahr 2020 die Regierung auf einen wissenschaftlichen Beraterstab zurückgreifen konnte und letztlich flächendeckend in kurzer Zeit Tests bereitstellte. Und genau hier können eine Vielzahl deutscher Unternehmen aus der Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft punkten.
Welche Potenziale genau bietet Lateinamerika?
Zunächst müssen wir festhalten: Wie vielerorts auch steht deutsche Qualität und Zuverlässigkeit hoch im Kurs. „Made in Germany“ ist anerkannt und hilft auch beim Start in diese schwierigen Märkte.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeitet mit Lateinamerika birgt viel Potenzial. Dies zeigen auch die Prognos-Studien der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Sie analysieren ausgewählte Technologiefelder einzelner Länder mit Blick auf 2030: Von der Medizintechnik über Energie und Umwelt, Information und Kommunikation, Produktion und Automation bis hin zu Verkehr und Logistik.
So ist beispielsweise Kolumbien der drittgrößte lateinamerikanische Markt für Medizintechnik. 80% des Bedarfs müssen hier importiert werden.Peru gehört zu den Ländern mit der höchsten Sonneneinstrahlung weltweit. In den kommenden zehn Jahren plant die Regierung zudem weitere Investitionen in Höhe von 6 Milliarden US-Dollar in die Installation neuer Anlagen in den Bereichen Wind-, Wasser- und Solarkraft. Und genau hier können deutsche Unternehmen ansetzen.
Und Chile hat einen hohen Bedarf an Technologien im Kompetenzfeld Information und Kommunikation. Insgesamt wächst dieser Bereich bis 2030 um 0,7% jährlich und damit in einer ähnlichen Größenordnung wie das BIP insgesamt. Die Prognos-Studien der IHK sind ein guter Kompass zur Identifizierung zukünftiger Geschäftschancen.
Welche Hürden oder Fallstricke gibt es?
Defizite in Infrastruktur, Bildung, Innovationen und öffentliche Sicherheit erschweren in einigen Ländern die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch zum Teil politische Instabilität, Haushalts- und Inflationsprobleme sowie eine Vielzahl an bürokratische Regelungen erschweren unternehmerische Aktivitäten. Und auch mit starker Konkurrenz aus China und USA ist zu rechnen. Daher wären Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EU und Lateinamerika von großem Vorteil.
Ziel muss es sein, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil zu intensivieren. Die vielerorts notwendige Produktivitätssteigerung kann z.B. durch innovative Technologien „Made in Germany“ erreicht werden. Als strategischer Technologiepartner sind wir in dieser Wachstumsregion sicherlich willkommen.