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Nigeria ist Zukunftsmarkt der Weltwirtschaft

Für Dr. Marc Lucassen, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Nigeria, ist eins klar: In Nigeria ist alles möglich! Warum trotz all der Negativschlagzeilen bereits 80 deutsche Unternehmen seit Jahren erfolgreich vor Ort tätig sind, verrät er im Interview mit Cornelia Kauruff.

2015 kam es zu den international gesehen, ersten wirklich demokratischen Wahlen seit der offiziellen Demokratisierung im Jahr 1999. Dabei wurde Muhammadu Buhari, Oppositionskandidat und Ex-Diktator, an die Staatsspitze gewählt. Was sagt das über die Demokratisierung Nigerias aus?

Die ersten formal demokratischen Wahlen im Vielvölkerstaat Nigeria fanden 1999 statt. 2015 kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel nach internationalen Standards. Die Wahlen wurden von der internationalen Öffentlichkeit als transparent, glaubwürdig und friedlich bewertet. Im Ergebnis konnte sich der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, gegen den bisherigen Amtsinhaber, Goodluck Jonathan, durchsetzen.

Dieser Erfolg sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die größte Volkswirtschaft und das bevölkerungsreichste Land Afrikas unter zahlreichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen leidet. Zu nennen sind hier insbesondere Korruption und Amtsmissbrauch im Staatsapparat, nur äußerst eingeschränkt funktionsfähige staatliche Institutionen, eine weitverbreitete Marginalisierung großer Bevölkerungsteile und ethnischer Minderheiten sowie ein ethnisch und religiös dominiertes Wahlverhalten, mit der Folge schwacher parteipolitischer Programmatik und zivilgesellschaftlicher Repräsentanz. Trotz aller politischen Fortschritte ist Nigeria eine Demokratie mit Einschränkungen, die insbesondere dem Einfluss des Ölreichtums auf den politischen Prozess geschuldet sind.

Megastädte wie beispielsweise Lagos stellen das Land vor große Herausforderungen: Welche Risiken – aber auch welche Chancen – sehen Sie in der Entstehung solcher Megacities?

Urbanisierung ist ohne Frage eine Voraussetzung für Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung. Nach aktuellen Schätzungen leben in Lagos über 20 Millionen Menschen. Jährlich werden es zwischen 500.000 und 1 Millionen mehr. Die Megacity Lagos ist mit einem BIP von 136 Milliarden US-Dollar der Motor der nigerianischen Wirtschaft und für sich genommen die fünftgrößte Volkswirtschaft Afrikas.

Das rapide Wachstum stellt die Stadt natürlich vor handfeste Herausforderungen. So ist das wachsende Infrastrukturdefizit u.a. durch mangelhafte und veraltete Verkehrswege, eine unzureichende Energie- und Wasserversorgung sowie das Fehlen einer nennenswerten Abfall- und Abwasserentsorgung gekennzeichnet. Das mehrstündige Stehen im Stau ist für jeden Einwohner Alltagserfahrung. Die Vielzahl an informellen Siedlungen und das unregulierte Wachstum der Stadt führen unter diesen Bedingungen zu schwer zu beherrschenden sozialen und umweltseitigen Risiken.

Andererseits eröffnen sich durch die hohe Konzentration an Ressourcen und Fähigkeiten in Lagos Möglichkeiten, die andernorts nur schwer vorstellbar sind. Durch den Hafen und die wirtschaftliche Stärke fungiert die Stadt als Tor zu den Märkten Nigerias. Die über 80 in Nigeria ansässigen deutschen Unternehmen sind alle in Lagos präsent, zumeist seit vielen Jahrzehnten. Gerade die junge Generation hochqualifizierter und -motivierter Nigerianer, die häufig an westlichen Eliteuniversitäten ausgebildet wurden und die anschließend nach Hause zurückkehren, sieht in der Metropole am Atlantik ihre Chance innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln und es bis ganz nach oben zu schaffen.

Es stellen sich daher grundsätzlich die Fragen: wem gehört die Stadt und wie erfolgreich und ausgewogen wird die weitere urbane Entwicklung verlaufen? Eine Stadt im permanenten Aufbruch - alles ist möglich. Denn Lagos steht jeden Tag erneut am Scheideweg zwischen Megaslum und Megacity.

Welche Branchen der nigerianischen Wirtschaft sind für bayerische KMU generell interessant?

Die nigerianische Regierung ist mit dem Ziel einer größeren Öl- und Importunabhängigkeit bemüht, die Diversifizierung der Volkswirtschaft voranzutreiben und Nigeria für internationale Geschäftspartner attraktiver zu machen. Dabei stehen folgende Branchen, die für bayerische KMU relevant sind, im Vordergrund:

  • Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung
  • Infrastruktur und Verkehrswirtschaft
  • Energie und Umwelttechnik
  • Öl, Gas und Bergbau
  • Informations- und Kommunikationstechnologien

Die langjährige Präsenz deutscher Unternehmen und das in Nigeria wohlbekannte Gütesiegel „Made in Germany“ bieten für bayerische KMU grundsätzlich gute Voraussetzungen.

Immer wieder füllen Anschläge der Terrorgruppe Boko Haram die Schlagzeilen – wie sicher ist Nigeria wirklich für deutsche Unternehmer?

Boko Haram ist ein ernstzunehmendes politisches Problem im äußersten Nordosten Nigerias. Dieser Landesteil liegt jedoch zwei Flugstunden von Lagos entfernt. Das entspricht ungefähr der Distanz zwischen München und Palermo.

In der Wirtschaftsmetropole Lagos und der Haupstadt Abuja, den beiden Orten, an denen sich deutsche Geschäftsreisende in der Regel aufhalten, genügt im allgemeinen die Einhaltung der überall gültigen Verhaltensregeln für internationale Großstädte ohne besondere Einschränkungen. Deutsche Besucher sind immer wieder positiv überrascht, wie wenig die Verhältnisse vor Ort dem durchweg negativen Bild in der internationalen Berichterstattung entsprechen.

Haben Sie noch einen letzten Tipp, den Sie Unternehmer, die in Afrika arbeiten wollen, mit auf den Weg geben möchten

Mein Tipp ist zweigeteilt:

  1. Nehmen Sie die hiesigen Markteintrittsbarrieren ernst, aber lassen Sie sich nicht bange machen. Es gibt gute wirtschaftliche Gründe, warum mehr als 80 deutschen Firmen seit vielen Jahren erfolgreich vor Ort tätig sind.
  2. Informieren Sie sich ausführlich vorab bei den richtigen Partnern, um Fehler gerade in der Frühphase Ihres Markteinstiegs zu vermeiden. Die AHK Nigeria steht Ihnen dabei gerne beratend zur Seite.