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Sommermärchen in Russland? Der starke Einfluss der Fußball-WM
Seit 2013 riskieren immer weniger bayerische Unternehmer den Auslandsgang nach Russland. Schuld daran war zum einen die Wirtschaftskrise, aber natürlich auch die Sanktionen. Nun ist die Wirtschaft wieder im Aufschwung – warum sollten Unternehmen nun wieder das Risiko in Kauf nehmen und zurückkehren?
Die Gründe für ein Engagement deutscher Firmen in Russland sind nach wie vor dieselben. Der russische Markt ist mit seiner Größe von 140 Millionen Einwohnern der größte Europas. Der hohe Bedarf an Investitions- und Konsumgütern, der gute Ruf von Produkten "Made in Germany" und die zentrale Lage zwischen EU und Asien bieten gute Chancen für deutsche Firmen. Auch der Zugang zu weiteren Märkten in der Eurasischen Wirtschaftsunion bietet Vorteile. Dass sich die Wirtschaft nun wieder erholt, der Rubel aber nach wie vor recht schwach ist, macht einen Einstieg günstig. In Euro gesehen, sind Grundstücke, Löhne und Kosten gesunken. In den vergangenen Jahren hat sich Russland intensiv um die Verbesserung der Bedingungen für Investoren bemüht. Auf der Kehrseite der Medaille stehen allerdings tatsächlich Unsicherheiten über die Wirtschaftsentwicklung, neue US-Sanktionen, zunehmender Protektionismus und geringe Aussichten auf nötige umfangreiche Wirtschaftsreformen. Für Unternehmen mit einzigartigen Produkten und Technologien und Produktion vor Ort sind die Chancen aber hoch.
In der im März vorgestellten Geschäftsklima-Umfrage Russland 2018 werden die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehung recht positiv dargestellt – welche Rolle spielen aber Mentalität und soziale Verhältnisse bei der Arbeit? Was sind die größten Schwierigkeiten für deutsche Firmen vor Ort?
Zur mysteriösen russischen Mentalität existieren ganze Bücher. Für den Anfang hilft es in Russland in jedem Fall, Russisch zu sprechen. Das macht die Zusammenarbeit deutlich einfacher. Ansonsten lässt sich allgemein sagen, dass die Geschäftsbeziehungen persönlicher sind. Trotz Sanktionen sind die deutsch-russischen Beziehungen gerade was die Wirtschaft anbelangt sehr eng. Schwierigkeiten haben deutsche Firmen vor Ort vor allem beim bürokratischen Aufwand. Neben den Sanktionen und der Konjunkturentwicklung nennen die Unternehmen in unseren Umfragen immer wieder auch Finanzierungen und die Verfügbarkeit von Fachkräften – gerade in den russischen Regionen – als Störfaktoren für ihr Geschäft. Auch von Korruption und protektionistische Tendenzen gerade bei öffentlichen Ausschreibungen, durch Einfuhrbeschränkungen und Genehmigungsverfahren berichten die Firmen leider immer wieder.
Im Sommer findet die Fußballweltmeisterschaft in Russland statt: Wie wichtig ist das Ereignis für Russland und welche Erfolgschancen verbergen sich für bayerische Unternehmen in der WM?
Für Russland ist die WM natürlich ein Großereignis. Die Städte putzen sich heraus, Russland wird sich wohl von seiner besten Seite präsentieren und ist ja auch bekannt für seine Gastfreundlichkeit. Die russische Wirtschaft, das zeigen Studien, hat bereits bei der Vorbereitung von der WM profitiert. Die Investitionen in den Vorbereitungsjahren seit 2013 haben laut McKinsey bereits ein Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beigetragen – umgerechnet rund 11 Milliarden Euro. Ein möglicher Anstieg des ausländischen wie des inländischen Tourismus werde für weiteres Wachstum sorgen, so der Bericht. Der Nach-WM-Tourismus soll der Studie zufolge in den kommenden fünf Jahren je 150 bis 210 Milliarden Rubel, also rund zwei bis drei Milliarden Euro, Zusatzeinnahmen bringen.
Auch deutsche Firmen haben ihren Anteil daran, dass alle WM-Stadien rechtzeitig fertig geworden sind. Die meisten Aufträge sind allerdings bereits abgeschlossen. Dutzende Firmen waren bei der Planung, dem Bau und der Ausstattung der Stadien beteiligt: Von der Konzeption über Dachkonstruktionen bis hin zum Rasen. Sogar der Spielball ist „Made In Germany“, die technische Ausstattung stammt von Siemens und weiteren deutschen Firmen. Aus Bayern war auch Knauf Gips bei der Lieferung von Material für Stadien und Infrastrukturprojekte beteiligt. Während der WM sind nun Logistiker, Tourismus-Unternehmen und Dienstleister gefragt.
Wie kann die AHK bayerischen Neuankömmlingen unter die Arme greifen? Welche Unterstützung bietet die AHK und können Sie einen konkreten Fall nennen?
Die AHK bietet Neuankömmlingen mit Ihrem großen Netzwerk eine Anlaufstelle. Auf den über 200 Veranstaltungen im Jahr knüpfen sie schnell Kontakte, tauschen Erfahrungen branchenspezifisch in unseren Komitees und Arbeitsgruppen aus und stehen im Krisenfall nicht allein da. Auch gegenüber Behörden unterstützt die AHK im Namen der deutschen Wirtschaft mit 800 Mitgliedsunternehmen im Rücken. Dem mittelständischen Messtechnikhersteller Wika aus Klingenberg am Main konnten wir bei seinem Lokalisierungsprojekt helfen, indem wir den Kontakt mit dem Industrieministerium hergestellt und dann bei der Lösung von Fragen über den Erhalt des Status eines "russischen Produzenten" für das neue Werk des Unternehmens im Gebiet Moskau mitgewirkt haben.
Und zu guter Letzt: Welche drei Tipps sollten Unternehmer berücksichtigen, wenn sie in Russland wirklich erfolgreich sein wollen?
Für deutsche Firmen, die in Russland aktiv werden wollen, empfiehlt es sich, zuvor den Markt gründlich zu sondieren: Ist mein Produkt gefragt? Wer ist meine Konkurrenz? Wer sind mögliche Geschäftspartner? Insbesondere angesichts der Sanktionen sollte auch eine Geschäftspartner- und Sanktionsprüfung durchgeführt werden, um Risiken im Vorfeld zu minimieren. Wenden Sie sich gerne dafür auch an die AHK. Ansonsten empfiehlt es sich, den persönlichen Kontakt zu suchen und zu pflegen und lieber anzurufen, statt E-Mails zu schreiben. Wenn dann endlich der erfolgreiche Vertragsabschluss gefeiert wird, sollte unbedingt beachtet werden, dass "Na sdorowje" kein russischer Trinkspruch ist. Das ist ein verbreiteter Irrtum.
ckauruff