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Standfestigkeit und Geduld: So klappt es in Brasilien

Wenn im August die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro eröffnet werden, rückt Brasilien wieder in den Fokus klein- und mittelständischer Unternehmen aus Bayern. Lohnt sich ein Auslandsgang nach Brasilien derzeit überhaupt? Dieser Frage geht Redakteurin Cornelia Schmidmeier im Interview mit Dr. Wolfram Anders, Präsident der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer São Paulo, auf den Grund.



Was erwarten Sie für die nächsten zehn Jahre in Brasilien? Lohnt sich der Auslandsgang aktuell?

Bis zur Entscheidung, ob es am 17. August zur definitiven Amtsenthebung der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff kommt und die Übergangsregierung unter Michel Temer weiter an der Macht bleibt, wird die brasilianische Wirtschaftslage schwer einschätzbar bleiben. Experten rechnen auch damit, dass der politische Reinigungsprozess, der durch die Lava-Jato-Untersuchungen in Gang gebracht wurde, noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis zu den nächsten planmäßigen Wahlen in 2018, so die Hoffnung, wird die Interimsregierung um Michel Temer vermutlich eine gewisse Stabilität und Handlungsfähigkeit gewährleisten. Viele Herausforderungen des Landes werden aber zur Aufgabe für die nächste legitim gewählte Regierung werden. Auf der anderen Seite hat Brasilien einen großen Binnenmarkt mit über 200 Millionen Konsumenten. Der Staat muss sich dringend von der Schuldenlast befreien und Kasse machen. Die starke Abwertung des brasilianischen Real begünstigt den Markteinstieg. Die Konditionen aus Brasilien heraus zu exportieren, haben sich dadurch auch verbessert. Darüber hinaus sind durch die Krise viele brasilianische Unternehmen von einem starken Wertverfall betroffen und Übernahmekandidaten geworden. Wer derzeit in Brasilien einsteigen will, sollte beste Marktkenntnisse sowie die notwendige Standfestigkeit und Geduld mitbringen, um mittel- bis langfristig Erfolg zu haben.

Welche Rolle spielen Mentalität und soziale Verhältnisse bei der Arbeit in Brasilien?

In Brasilien haben persönliche Kontakte einen bedeutenden Stellenwert. Dies beruht häufig auf Vertrauen und das Wissen darum, dass man sich auf einen Geschäftspartner verlassen kann. Dies gilt für alle gesellschaftlichen Klassen. Ähnlich wie in Deutschland mischen sich Führungsebene, das mittlere Management und die Fabrikarbeiter eher selten. Tendenziell sind Brasilianer offener gegenüber Neuheiten und leichter für neue Projekte zu begeistern. Obwohl man im brasilianischen Geschäftsalltag miteinander scheinbar deutlich lockerer als in Deutschland umgeht, wird gerade in Traditionsunternehmen weiter auf Berücksichtigung der oft noch sehr pyramidenförmigen Unternehmensstrukturen geachtet.

Projektplanung und -abwicklung in Deutschland und in Brasilien. Wo gibt es Ähnlichkeiten? Wo gibt es Unterschiede?

Das ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Die Firmenkulturen sind gerade bei multinationalen Unternehmen stark von der Firmenkultur ihrer Mutterhäuser geprägt.

Brasilien gehörte als Teil der BRIC-Staaten zu den Hoffnungsträgern der globalen Ökonomie. Für das Jahr 2016 geht der IWF von einem wirtschaftlichen Absturz von 3,5 Prozent aus. Worauf ist aus Ihrer Sicht dieser Einbruch zurückzuführen?

Dank hoher Erlöse für exportierte Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte konnte Brasilien über Jahre den Inlandskonsum ankurbeln. Die Funde großer Erdölvorkommen in Tiefsee wurden geschickt zur Imagebildung verwendet. Mit dem Verfall der Weltmarktpreise sanken die Einnahmen und die teure Erschließung der Tiefseeölfelder rückte aus dem Fokus. Der Wirtschaft gelang es nicht die Einbußen durch den gewaltigen Rückgang des Konsums mit Produktivitätssteigerungen auszugleichen. Zunächst mangels Konsens unter den Politikern später durch die Lava-Jato-Ermittlungen zusätzlich unterstützt, verfiel Brasilien in einen politischen Stillstand und notwendige Entscheidungen zur Bekämpfung der Krise wurden verschoben oder unterlassen, ebenso wie dringende Investitionen in Infrastruktur, Gesundheits- und Bildungswesen.

Welche Unterstützung kann die Deutsch-Brasilianischen Industrie-und Handelskammer bayerischen Unternehmen beim Auslandsgang anbieten?

Einer der Schwerpunkte unserer Kammerarbeit ist die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen. Um Kontakte zwischen deutschen und brasilianischen Unternehmen herzustellen und zu fördern, bietet die AHK verschiedene Produkte und Dienstleistungen an. Darunter:

- Organisation von Unternehmerbörsen und Delegationsreisen für Unternehmer aus beiden Ländern.

- Kontaktanbahnung. Suche und Vermittlung von potentiellen Kunden und Lieferanten.

- Allgemeine Marktinformationen und –Studien.

- Exklusive Markteintritts-Dienstleistungen.

- Informationen zu Zollverfahren.

- Store Check – Überprüfung von Produktpreisen in Geschäften in Deutschland und Brasilien.

- Generelle Informationen und Orientierung in Rechtsfragen.

- Auskünfte zu Unternehmensgründungen.

- Bonitätsauskünfte und Handelsregisterauszüge sowie Erklärungen, die die Teilnahme an Ausschreibungen erleichtern können.