EU-Standards nicht durchgesetzt
Deutsche und europäische Anbieter sehen sich mit immer neuen Anforderungen im Handel konfrontiert. Hierdurch klaffen ihre Wettbewerbsbedingungen für Produktion sowie Vertrieb und die der Konkurrenten aus Drittstaaten immer weiter auseinander. Die Gefahr von Verzerrungen zulasten der heimischen Wirtschaft wird mit jeder Regelung größer. Ein aktuelles Beispiel ist etwa die allgemeine Produktsicherheitsverordnung, die eine Risikoanalyse und technische Dokumentation für fast alle Produkte vorsieht. Kundenberichte zeigen, dass auf den außereuropäischen Konkurrenzplattformen EU-Standards zu Produktsicherheit nicht durchgesetzt werden, Produktfälschungen und Falschdeklarationen sind an der Tagesordnung. Es herrscht also kein Regelungs- sondern ein Vollzugsdefizit.
Zollreform dringend nötig
Rückmeldungen aus dem Unternehmensalltag zeigen: Zwar dürfen im Binnenmarkt Waren nur vertrieben werden, die den europäischen Anforderungen entsprechen. Das gilt jedoch in der Theorie, ist in der Praxis aber keine Hilfe. Denn beim Eingang von 890 Millionen Kleinpostsendungen aus Drittstaaten pro Jahr, davon 80 Prozent aus Asien, ist eine flächendeckende Kontrolle unter realen Bedingungen kaum möglich.
Dies gilt umso mehr, als die Zoll- und Finanzbehörden nicht mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sind. Außerdem nutzen derzeit Betrüger den Umstand stark aus, dass Waren erst ab einem Wert von mehr als 150 Euro der Zollpflicht unterliegen. Laut EU-Kommission werden aktuell bis zu 65 Prozent der in die EU eingeführten Waren mit einem zu niedrigen Wert angemeldet, um Zollgebühren bei der Einfuhr zu umgehen. Hier kann die anstehende EU-Zollreform wichtige Veränderungen bringen. Sie sieht neben der Abschaffung des Schwellenwertes von 150 Euro unter anderem eine stärkere Digitalisierung und Verzahnung der europäischen Zollbehörden vor. Die DIHK hat hierzu bereits Vorschläge eingebracht.
Gleichzeitig sollte die EU mit Handelsschutzmaßnahmen dagegen vorgehen, dass Industriebetriebe in Drittstaaten mithilfe illegaler Subventionen zum Schaden der deutschen Wirtschaft Überkapazitäten erzeugen. Hier ist es entscheidend, dass in den WTO-Regeln Lücken zu Industriesubventionen geschlossen werden – insbesondere mit Blick auf Staatsbetriebe. Auch im Weltpostverein sollte die bestehende Subventionierung für Postsendungen solcher Staaten, die sich vom Status der Entwicklungsländer schon lange zu G20- oder OECD-Ländern weiterentwickelt haben, komplett abgebaut werden.
Digitale Plattformen in Haftung nehmen
Das De-facto-Ungleichgewicht zuungunsten heimischer Anbieter und Produzenten muss sich ändern. Mit der EU-Verordnung über digitale Dienste und der EU-Zollreform soll der Binnenmarkt nun stärker vor Produkt- und Markenpiraterie geschützt werden. Gleichzeitig obliegen den Plattformanbietern jedoch mehr Transparenz- und Bereitstellungspflichten, die wiederum erhebliche administrative und bürokratische Aufwände mit sich bringen. Zudem sollten vor der Einführung neuer EU-Regulierungen im Bereich der Product Compliance zukünftig immer deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen geprüft werden.
Nach der Europawahl im Juni sollten die neue EU-Kommission und das neue EU-Parlament das Thema Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wieder viel stärker in den Fokus rücken, denn die wirtschaftlichen Erfolge der Unternehmen sind nicht in Stein gemeißelt.