Russland: Aussetzung des Doppelbesteuerungsabkommens

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Russland vom Mai 1996 wurde von der Russischen Föderation ausgesetzt.

 

Am 08.08.2023 wurde die vom Präsidenten der Russischen Föderation unterzeichnete Verordnung (Ukas) Nr.585 zur Aussetzung einzelner Bestimmungen bilateraler Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) mit insgesamt 38 Staaten, darunter auch Deutschland, veröffentlicht.

In Bezug auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Russland vom Mai 1996 hat die Russische Föderation mit der neuen Verordnung NR. 585 erklärt, dass die Artikel 5 bis 22, sowie der Artikel 24, des DBA von der russischen Vertragsseite ausgesetzt werden sollen.

Dabei ist zu beachten, dass das DBA von der russischen Seite nicht gekündigt wurde. Wäre das DBA seitens Russlands per diplomatischer Note schriftlich gekündigt worden, würde diese Kündigung erst am 1. Januar 2025 für die Parteien in Rechtskraft treten.

Mit der Verordnung Nr.585 wurde das russische Außenministerium beauftragt, den betreffenden Vertragsstaaten, darunter Deutschland, diesbezüglich Noten zum Sachverhalt des einseitigen Aussetzens einzelner Bestimmungen des DBA zu überstellen; ebenso wurde festgelegt, dass vom Gesetzgeber diesbezügliche Änderungen in die Föderale Steuergesetzgebung Russlands anzufertigen sind. Es ist davon auszugehen, dass sowohl das Außenministerium als auch das Parlament der diese Auflagen zeitnah umsetzen werden.

Deutsche Unternehmen und insbesondere deren auf dem Territorium der Russischen Föderation geschäftstätigen Betriebstätten und Tochtergesellschaften verlieren mit dem angekündigten Aussetzen einzelner Bestimmungen des DBA eine Reihe von Präferenzen, von denen die wichtigsten hier zusammengefasst sind: 

  • Bisher bildet eine Bauausführung oder Montage in Russland nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer 12 Monate überschreitet. Nach dem Aussetzen dieser Bestimmung wird bereits nach Ablauf eines Monats eine Betriebstätte gebildet.
  • Nach Aussetzen des Artikels 7.3. geht die wesentliche Rechtsgrundlage verloren, nach der bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebstätte in Russland Aufwendungen und allgemeinen Verwaltungskosten abzugsfähig sind, die in Deutschland oder im sonstigen Ausland entstanden sind.
  • Ausgesetzt wird ebenfalls die Regelung, dass die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen See- und Luftverkehr nur in Deutschland besteuert werden können.
  • Die Präferenzen bei der Besteuerung der Dividenden und Gewinnausschüttungen werden ausgesetzt, so dass eine Vielzahl von deutschen Tochtergesellschaften statt bisher 5 Prozent einen Steuersatz von 15 Prozent zu entrichten haben.
  • Zinserträge, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen aus Darlehensverträgen mit einem in Russland ansässigen Unternehmen erzielt, werden nach Aussetzten des Artikel 11 des DBA jetzt auch in Russland mit dem Steuersatz von 20 Prozent zu besteuern sein.
  • Lizenzgebühren, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen aus Lizenzverträgen mit einem in Russland ansässigen Unternehmen erzielt, werden nach Aussetzten des Artikel 12 des DBA jetzt auch in Russland mit dem Steuersatz von 20 Prozent besteuert.

Auch wenn die von einer in Deutschland ansässigen Person nach dem Aussetzen einzelner Bestimmungen des DBA in Russland zu leistende Mehrbesteuerung auf die in Deutschland zu leistenden Steuerzahlungen anrechenbar sein wird, ist stets zu erwarten, dass dieses Aussetzen zu einer wesentlichen Erhöhung der Steuerbelastung, sowie, insbesondere auch durch die Verkürzung der Frist zur Betriebstättenbildung, zu einer wesentlichen Erhöhung des Verwaltungsaufwandes für diese in Russland geschäftstätigen deutschen Unternehmen führen wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt abzuwarten, wie sich die zuständigen deutschen Behörden in Bezug auf die Erklärung der russischen Seite zur Aussetzung einzelner Bestimmungen des DBA positionieren werden, das heißt, ob Deutschland unter Verweis auf das in derartigen Fällen üblicherweise zur Anwendung zu bringende Reziprozitätsprinzip seinerseits ebenfalls symmetrisch die betreffenden Artikel des DBA aussetzten wird.

Quelle: Morgentelegramm der AHK Russland, IHK Würzburg-Schweinfurt