Der europäische Green Deal

Was ist der Green Deal?

Die Europäische Kommission hat im Dezember 2019 mit dem "Green Deal" ein weitreichendes Programm für mehr Klima- und Umweltschutz in der EU vorgelegt. Der deutschen Wirtschaft ist Nachhaltigkeit ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Doch ob sich aus diesen umfassenden Zielen und Vorgaben – wie von der EU-Kommission versprochen – eine Wachstumsstrategie für die deutschen und europäischen Unternehmen ergibt, hängt ganz entscheidend von der konkreten Umsetzung des Maßnahmenbündels ab.

Im Zentrum des Green Deal stehen die Ziele, die EU bis zum Jahr 2050 zum ersten treibhausgasneutralen Staatenbund zu machen, die Schadstoffemissionen deutlich zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft in Europa weiter zu fördern.

Ambitionierte Ziele mit großen Folgen für die Wirtschaft

Treibhausgasneutralität bedeutet, dass die Emissionen von CO2 und anderer Treibhausgase bis Mitte des Jahrhunderts massiv gesenkt werden. Die wenigen unvermeidbaren Emissionen werden durch Entnahmen von CO2 aus der Atmosphäre ausgeglichen. Unter dem Strich emittiert Europa somit keine Treibhausgase mehr.

Mit dieser Zielsetzung steigert die EU ihre Klimaschutzambition massiv, was sich auf die deutsche Wirtschaft stark auswirken wird. Die sogenannte Nullschadstoff-Ambition der EU-Kommission oder das Ziel einer weltweiten Vorreiterrolle im Bereich der Kreislaufwirtschaft dürften ebenfalls erhebliche Konsequenzen für die Unternehmen haben.

CO2-Preise werden deutlich steigen

Denn viele der zahlreichen Instrumente und Regelwerke, die im Rahmen des Green Deal fortentwickelt und zum Teil neu eingeführt werden sollen, betreffen die Betriebe direkt, etwa der Europäische Emissionshandel oder die Flottengrenzwerte für Autos und leichte Nutzfahrzeuge.

Angesichts der geplanten Erhöhung der CO2-Ziele wird die EU nicht darum herkommen, an diesen Stellschrauben zu drehen. Eine schnellere Verknappung der CO2-Zertifikate im Emissionshandel ist bereits in der Diskussion. Die von den Unternehmen zu zahlenden CO2-Preise werden erheblich steigen.

DIHK plädiert für ausgewogene Umsetzung

Für einige Betriebe mag sich hieraus ein Anreiz ergeben, in eine klimaschonendere Energieversorgung oder Produktionsprozesse zu investieren. Andere stehen hingegen vor der Herausforderung, dass technologische Möglichkeiten noch fehlen oder dass deren Einsatz wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Letzteres gilt insbesondere für Unternehmen, die sich im globalen Wettbewerb befinden.

Der DIHK setzt sich für eine möglichst ausgewogene Umsetzung des Green Deal ein, der die Wertschöpfung in Deutschland und der EU sichert, Anreize und Innovation in den Vordergrund stellt, unternehmerische Vorgaben handhabbar hält, die Wettbewerbsposition der deutschen Unternehmen global stärkt und somit die Abwanderung von Produktion und Investitionen in Drittstaaten mit weniger strengen Auflagen verhindert.

DIHK-Broschüre "Green Deal der Europäischen Union"

Juni 2021, pdf 1,3 MB Herunterladen

Fit for 55: Europäische Unternehmen müssen sich auf weitreichende Neuerungen einstellen

Am 14. Juli hat die Kommission das Maßnahmenbündel vorgestellt. Es enthält Entwürfe für zwölf Gesetzgebungsverfahren, die in kommenden Monaten parallel diskutiert, verhandelt und schließlich verabschiedet werden sollen.

Sie dienen der Umsetzung des "Green Deal". Dieses ambitionierte Programm für den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der europäischen Wirtschaft, das die EU-Kommission 2019 entwickelt hatte, wird inzwischen auch vom Europäischen Parlament und Rat mitgetragen.

Neben dem Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen in Europa um mindestens 55 Prozent wird die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 angestrebt. Das bedeutet: In knapp drei Jahrzehnten dürfen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen nur noch minimale Restemissionen anfallen.

Einschneidende Veränderungen

Zentrale Vorhaben im "Fit for 55"-Paket sind die Neuordnung des europäischen Emissionshandels einschließlich neuer Instrumente zur Vermeidung von Carbon Leakage, die Überarbeitung der Energieeffizienz- und der Erneuerbaren-Richtlinie, eine Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte und ein Vorschlag zur stärkeren Harmonisierung der Energiesteuern.

Damit wird auch für die Unternehmen immer deutlicher, auf welche konkreten Neuerungen sie sich direkt oder in ihrem wirtschaftlichen Umfeld in den kommenden Jahren einstellen müssen: 

Für alle Unternehmen relevant sind absehbar weiter steigende CO2-Preise und damit ein höherer Druck auf Unternehmen, Energieverbräuche zu senken, erneuerbare Energieträger zu nutzen und auf emissionsarme Produktionsverfahren umzustellen. Die Kommission schlägt vor, den heute bestehenden europäischen Emissionshandel (EU-ETS) zu reformieren.

Konkret soll das Ausgangsniveau der zur Verfügung gestellten Emissionszertifikate einmalig abgesenkt und der Pfad zur weiteren Reduzierung steiler werden. Zudem soll eine höhere Entnahme von Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve ermöglicht werden, und es geplant, den Anwendungsbereich des Emissionshandels um den Seeverkehr zu erweitern.

Für Unternehmen mit großen, am EU-ETS beteiligten Industrieanlagen ist die teilweise freie Zuteilung von Zertifikaten Voraussetzung dafür, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte gewahrt bleibt. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, diese freie Zuteilung an Industrieunternehmen herunterzufahren, indem die maximale Abwertung der Benchmarks von 1,6 auf 2,5 Prozent pro Jahr angehoben wird. Das führt in Kombination mit der erwarteten Steigerung der CO2-Preise zu deutlich höheren Belastungen dieser Unternehmen. Zusätzlich wird als Gegenleistung für die freie Zuteilung eine Verpflichtung zu Klimaschutzinvestitionen eingeführt.

Quellen: DIHK

Neben dem bestehenden Emissionshandel soll ein weiteres Emissionshandelssystems eingeführt werden, das ab 2026 die Emissionen des Energieeinsatzes in Gebäuden und Verkehr bepreist. Wie im deutschen nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) werden die Inverkehrbringer von Kraft-/Brennstoffen zur Teilnahme verpflichtet. Diese geben dann den CO2-Preis an ihre Kunden weiter.

Ausgenommen von dem neuen Emissionshandel sollen Brennstoffverbräuche für die Erzeugung industrieller Prozesswärme sein. Eine freie Zuteilung beziehungsweise Entlastung besonders betroffener Energieverbraucher ist nicht vorgesehen; die Versteigerungserlöse sollen aber für Investitionen in den Klimaschutz und zur Unterstützung ärmerer Haushalte eingesetzt werden.

Quellen: DIHK

Für eine Auswahl energie- und handelsintensive Sektoren soll ein CO₂-Grenzausgleich (englisch: CBAM – Carbon Border Adjustment Mechanism) etabliert werden. Ziel ist es, in diesen Branchen Wettbewerbsnachteile durch EU-weit steigende CO₂-Preise gegenüber Konkurrenten außerhalb der Europäischen Union zu vermeiden – und die Abwanderung von Wertschöpfung zu verhindern.

Der von der EU-Kommission geplante CBAM ist eine Art CO2-Zoll auf aus Drittstaaten importierte Produkte. Die bei Import fällige CO2-Abgabe errechnet sich aus dem bei der Produktion ausgestoßenem Kohlendioxid und dem jeweils aktuellen CO2-Preis im EU-ETS. Sie entfällt, wenn der Importeur nachweist, dass die CO2-Abgabe im Herkunftsland genauso hoch ist wie in der EU.

Von CBAM erfasst werden sollen die Branchen Zement, Dünger, Stahl, Aluminium aber auch Strom. Unter die Regelung fallen auch Produkte der ersten Weiterverarbeitungsstufen, zum Beispiel Stahlrohre. Vorgesehen ist, dass der CO2-Grenzausgleich die teilweise freie Zuteilung von Emissionszertifikaten für die erfassten Sektoren ersetzt.

Den Vorschlag der Kommission begleitet eine intensive Diskussion, wie und ob sich ein Grenzausgleichsmechanismus in Einklang mit dem internationalen Handelsrecht bringen lässt und wie die bei der Produktion in Drittländern anfallenden CO2-Emisssionen berechnet und nachgewiesen werden können. Für Diskussionen wird auch sorgen, dass der Vorschlag der Kommission nur einen Aufschlag für Import, nicht aber eine Entlastung für Exportprodukte vorsieht.

Ziel der CO2-Grenzausgleichsabgabe

Der CBAM soll vermeiden, dass in der EU hergestellte Produkte durch CO2-intensivere Einfuhren ersetzt werden.

Produktgruppen

Der CBAM gilt zunächst nur für die Einfuhr von

  • Aluminium
  • Düngemittel
  • Eisen und Stahl
  • Strom
  • Zement

Grundsätzlich fallen Einfuhren dieser Waren aus allen Nicht-EU-Ländern unter das CBAM. Ausgenommen sind Einfuhren aus der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.

Funktionsweise des CBAM

EU-Einführer kaufen Zertifikate, die dem CO2-Preis entsprechen, der gezahlt worden wäre, wenn die Waren nach den EU-Regeln für die Bepreisung von CO2-Emissionen hergestellt worden wären. Kann ein Nicht-EU-Hersteller nachweisen, dass er bereits einen Preis für das CO2 bezahlt hat, dass bei der Herstellung der eingeführten Ware im Drittland entstanden ist, kann der EU-Einführer sich die entsprechenden Kosten anrechnen lassen.

Das CBAM soll für die direkten Emissionen von Treibhausgasen während des Herstellungsverfahrens der betroffenen Produkte gelten.

Die Einführer können beim Ermitteln der Emissionswerte auf Standardwerte der CO2-Emissionen der jeweiligen Waren zurückgreifen, um zu ermitteln, wie viele Zertifikate sie erwerben müssen. Alternativ können sie die für den konkreten Herstellungsprozess entstandenen CO2-Emissionen durch vom jeweiligen Hersteller zur Verfügung gestellte Nachweise belegen.

Einführung

2023 bis 2025 sollen Einführer zunächst verpflichtet sein, die mit der Herstellung der von ihnen eingeführten Waren verbundenen CO2-Emissionen zu melden. In dieser Übergangsphase ist noch kein Ausgleich für die CO2-Emissionen zu zahlen.

Ab 2026 sollen EU-Einführer jährlich bis zum 31. Mai die Gesamtmenge der im Vorjahr in die EU-eingeführten Waren und der damit verbundenen grauen Emissionen melden und die entsprechende Menge an CBAM-Zertifikaten zurückgeben.

Dazu müssen sich EU-Einführer vorab entweder einzeln oder über einen Vertreter bei noch festzulegenden nationalen Behörden registrieren. Die nationalen Behörden genehmigen die Registrierung der Anmelder im CBAM-System und überprüfen und verifizieren die Erklärungen. Die nationalen Behörden werden auch für den Verkauf der CBAM-Zertifikate an die Importeure verantwortlich sein. Die registrierten Einführer können dann CBAM-Zertifikate erwerben. Der Preis der Zertifikate soll in Abhängigkeit vom wöchentlichen durchschnittlichen Auktionspreis der EU-EHS-Zertifikate in Euro je Tonne emittiertes CO2 ausgedrückt werden (EHS = Emissionshandelssystem). Das CBAM soll ein Spiegelbild des EHS sein. So soll das CBAM bis zur vollständigen Abschaffung der kostenlosen EHS-Zertifikate für CO2-Emissionen für die Herstellung von auch dem CBAM unterliegenden Produkte im Jahr 2035 nur für den Teil der Emissionen gelten, der nicht in den Genuss kostenloser EHS-Zertifikate kommt.

Bewertung

Für die internationalisierte deutsche Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, dass neue Regelungen zu CBAM den globalen Handel nicht einschränken und in Zeiten zunehmender Handelskonflikte nicht zum Einfallstor für mehr Protektionismus werden. Ein Grenzausgleich muss daher so ausgestaltet werden, dass er mit dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar ist. Laut EU-Kommission soll dies mit dem jetzigen Entwurf gewährleistet sein.

Weitere Informationen zum EU-Kommissionsvorschlag vom 14. Juli 2021 für eine CO2-Grensausgleichsabgabe.

Quellen: DIHK und IHK Rhein Neckar

Damit die mit dem Green Deal beabsichtigte Transformation gelingen kann, werden entsprechende CO2-arme Alternativen zur Energieversorgung, also Strom aus erneuerbaren Quellen und klimafreundlicher Wasserstoff in auskömmlichen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen, zur Verfügung stehen müssen. Dafür plant die EU-Kommission die Festlegung eines verbindlichen EU-Ausbauziel von 38 bis 40 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030.

Nationale Ziele will sie nicht vorschreiben. Vorgesehen sind aber indikative Erneuerbaren-Ziele für die Bereiche Gebäude – voraussichtlich 39 Prozent bis 2030 – und die Industrie. Im Bereich Verkehr soll neben dem Unterziel für fortschrittliche Kraftstoffe auch eines für Treibstoffe nicht biogenen Ursprungs eingeführt werden, etwa für Strom, Wasserstoff oder E-Fuels. Vorgeschlagen wird zudem ein EU-weit gültiges System für Herkunftsnachweise. Das soll unter anderen dazu beitragen, dass im EU-Strombinnenmarkt mehr Verträge für die Direktabnahme von erneuerbarem Strom (PPA) geschlossen werden.

Quellen: DIHK

Das derzeit gültige Energieeinsparziel von 32,5 Prozent bis 2030 gegenüber 2008 wird nach Einschätzung der Kommission voraussichtlich um rund 3 Prozent verfehlt. Nachsteuerungsbedarf bestehe daher auch ohne eine weitere Verschärfung. Ob die Effizienzziele erhöht werden sollen, ist noch offen. Klar ist, dass die Kommission darauf setzt, das Prinzip "Efficiency First" – also den Leitgedanken, sparsam mit Energie umzugehen – in allen energieverbrauchsrelevanten Segmenten zu stärken. Einen besonderen Beitrag soll dabei die öffentliche Hand leisten, unter anderem über Sanierungsverpflichtungen für mehr öffentliche Gebäude und eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung (green public procurement). Insgesamt wird mehr als bislang ein stärkeres Gewicht auf die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gelegt.

Die Kriterien für die Verpflichtung zu Energie-Audits und Energie-Managementsysteme sollen nicht mehr an Art und Größe des Unternehmens festgemacht werden, sondern an der Höhe ihres Energieverbrauchs.

Quellen: DIHK

Im Verkehrssektor sind eine Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant. Damit soll die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen erheblich beschleunigt werden.

Bisher sah die Verordnung für die CO₂-Flottengrenzwerte von Pkw bis 2030 eine Verringerung der Emissionen um 37,5 Prozent bei neuen Pkw gegenüber 2021 vor. Die vorgeschlagenen 55 Prozent Reduktion gegenüber 2021 auf dann rund 50 Gramm CO2 je Kilometer und Pkw sind nur ein Zwischenschritt. Bereits 2035 sollen neu zugelassene Pkw und Vans komplett emissionsfrei sein. Das bedeutet das Ende für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission mit der novellierten Gesetzgebung zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe deutlich konkretere Ausbaupläne für Ladesäulen sowie für Wasserstoff- und Gastankstellen vor. Die bestehende Richtlinie wird in eine direkt gültige Verordnung umgewandelt. Unter den alternativen Kraftstoffen wird der Schwerpunkt klar auf Strom und Wasserstoff gelegt – auch für Nutzfahrzeuge. Jeder Mitgliedsstaat muss hierfür eine bestimmte Netzabdeckung bei der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur erreichen. Die Kraftstoffe Erdgas (CNG, LNG) und Flüssiggas (LPG) werden nur noch übergangsweise beim Infrastrukturausbau berücksichtigt. Nicht zuletzt werden Minimalausstattungen für See- und Binnenhäfen bei der Landstromversorgung sowie an Flughäfen für die stationäre Bordstromversorgung vorgeschrieben.

Quellen: DIHK

Absehbar ist, dass ein kleiner Teil der Emissionen unvermeidbar bleibt. Damit Europa unterm Strich spätestens im Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr emittiert, wird also die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre erforderlich sein. Hierzu soll der Bereich der Land- und Forstwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten.

Ziel ist es deshalb nicht nur, wie bisher, dass die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) im gleichen Sektor vollständig bilanziell ausgeglichen werden, sondern vielmehr, dass eine CO2-Senke entsteht, also ein Ökosystem, das Kohlendioxid dauerhaft speichert. Ziel ist eine Netto-Treibhausgasentnahme im LULUCF-Sektor von 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030.

Ergänzt wird dieses Dossier um eine Waldstrategie.

Quellen: DIHK