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Fokus auf... Seidenstraße 4.0

1.500 Jahre lang Waren von China aus bis ans Mittelmeer und umgekehrt transportierten. One Belt, One Road (OBOR), Belt-and-Road-Initiative (BRI), Neue Seidenstraße oder Seidenstraße 4.0 sind heute die Bezeichnungen für die Erweckung der Alten Seidenstraße zu neuem Leben.

One-Belt-One-Road meint den Handelsgürtel, der zwar unter anderem entlang der Alten Seidenstraße verläuft, aber neue Korridore interkontinental auf dem See- und Landweg einschließt. Die Initiative erstreckt sich geografisch von Neuseeland bis Großbritannien und von der Antarktis bis Südafrika. 2017 kamen zu dem so genannten Pekinger Gipfel Vertreter von über 100 Ländern, um allein über die BRI zu beraten. 29 Staats- und Regierungschefs waren dabei – das zeigt die Brisanz dieser Initiative, bei der viele dabei sein wollen.

Was verbirgt sich hinter Seidenstraße 4.0?

Es ist ein Mammutprojekt, das der chinesische Staatspräsident Xi Jinping auf einem Arbeitstreffen der Kommunistischen Partei Chinas im Oktober 2013 angestoßen hat. Der SPIEGEL bezeichne die BRI als „größtes Entwicklungsprogramm seit dem Marshallplan“: 900 Projekte in 65 Ländern mit einem Handelsvolumen von insgesamt (derzeit) 850 Milliarden Dollar sollen umgesetzt werden. In den beteiligten Staaten leben rund zwei Drittel der gesamten Weltbevölkerung. Zeitraum nach Ansicht von Experten: Jahrzehnte, wenn nicht sogar ein Jahrhundert! Die Zentralregierung Chinas will die Seidenstraße als internationalen Transportweg wiederbeleben. Es geht um den Ausbau des Wirtschaftswachstums und den Aufbau und die Stärkung des freien Handels, und zwar nicht nur zwischen China und seinen Nachbarstatten, sondern auch in den Schwellenländern in  Asien, Osteuropa und im Nahen Osten.

Dafür muss zunächst der Ausbau einer länderübergreifenden Infrastruktur vor allem auf dem Landweg vorangetrieben werden, da nach Informationen von Germany Trade & Invest (GTAI) 90 Prozent des chinesischen Außenhandels auf dem Seeweg abgewickelt werden. Zahlreiche Logistik und Infrastrukturprojekte sind am Laufen: So gibt es mit dem Bahnweg von der chinesischen Hafenstadt Lianyungang über Kasachstan bis nach Rotterdam eine neue eurasische Landbrücke. Auch eine wöchentliche Zugverbindung von Chengdu bis nach Nürnberg ist bereits realisiert. Nach Informationen der Großbank HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings PLC) verkehren inzwischen etwa 20 Züge pro Woche zwischen dem Duisburger Hafen und verschiedenen Städten in China. Die geplante 3.900 Kilometer lange Bahnverbindung zwischen Yunnans Hauptstadt Kunming und der Singapur gilt nach Angaben von GTAI als Prestigeträchtigstes Vorhaben der "Belt and Road Initiative" in Richtung Südostasien. Sie soll zum Rückgrat eines verzweigten Netzwerks von Wirtschaftskorridoren werden. „Die Infrastrukturprojekte reihen sich wie Perlen an eine Kette“, sagt Evgenija Ries, Seidenstraßen-Expertin der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien.

Chancen für deutsche Unternehmen in vielen Seidenstraßen-Regionen

Ursula Müller, Bereichsleiterin International in der Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg: „Man muss beobachten, was in den Seidenstraßen-Regionen vorangeht und wie sich die einzelnen Länder entwickeln. Durch den infrastrukturellen Ausbau ergeben sich für viele Schwellenländer neue Möglichkeiten, die auch für unsere hiesigen KMU interessant sind.“ Auch aus dem Kammerbezirk Aschaffenburg sind Unternehmen in Seidenstraßen-Regionen wie etwa Usbekistan tätig.

Zentralasien ist eine der zentralen Regionen für die Neue Seidenstraße und als Transitregion und Rohstofflieferant interessant. China ist inzwischen nicht nur ‎Haupthandelspartner, sondern auch größter Investor Zentralasiens. Zahlreiche Länder erhoffen sich Impulse für die eigene Wirtschaft, es herrscht Nachholbedarf in vielen Bereichen. Evgenija Ries: „Die Seidenstraße bietet kleinen und mittelgroßen Unternehmen - den deutschen Hidden Champions  - riesige Chancen. Viele Infrastruktur-Projekte sind knifflig im Hinblick auf deren Planung und Durchführung, hier ist vor allem Fachwissen etwa von Ingenieuren oder Digitalisierungsexperten gefragt. Deutsches Knowhow genießt einen hervorragenden Ruf, deutsche Experten gelten als kompetent und präzise.“ Nach Erfahrung von Evgenija Ries liegen hier die Chancen für kleinere Firmen oder Büros, die sich auf Zulieferung oder- Dienstleistungen spezialisiert haben. Es gehe hier eher um Beratungs- und Planungsdienstleistungen.Viel versprechende Branchen, in die sich deutsche Unternehmen einbringen können, sind aus ihrer Sicht neben Schienenverkehr und Straßenbau auch die Elektroindustrie, die Metallindustrie, Maschinenbau, die Beton- und Werkstoffbranche und der Bereich Digitalisierung. „Der Verkehr auf Häfen, Schienen und Umschlagplätzen muss effizient geplant, organisiert und abgewickelt werden – das bietet enorme Chancen für deutsche Digitalisierungsexperten.

Russland ist auch dabei. Alexej Knelz von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK): „Für die nördliche Seidenstraßen-Route wäre das z.B. Nischni Nowogorod, Tatarstan, die Republik Baschkirien, Wladimir und Uljanowsk.“ In diesem Kontext erwähnt Knelz die Deutsche Initiative für den Hochgeschwindigkeitsverkehr: „Die deutsche Wirtschaft bringt das nötige Knowhow für den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Moskau bis Kasan und langfristig bis hin in den Ural mit.“

Auch die an der Seidenstraße liegenden aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens wie Thailand, Malaysia, Indonesien oder Vietnam können als wirtschaftlicher Katalysator dienen. Experten prognostizieren, dass diese Länder einen Wandel vollziehen und als „Mittelklasse-Länder“ mit wachsendem Wohlstand ein neues Konsumverhalten entwickeln sowie einen enormen Bedarf an Innovationen im Industrie- und Energiesektor aber auch Tourismus haben.

Risiken im Auge behalten und Geduld haben

Viele deutsche Firmen sind bereits in Asien vertreten oder haben dort starke Partner. Um sich dort geschäftlich zu engagieren, benötigt man ein gutes Netzwerk und geeignete Ansprechpartner vor Ort. Die Experten der Großbank HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings PLC) raten etwa, sich an Ausschreibungen für Großprojekte zu beteiligen und die finanzielle Seite eines Geschäftes gut im Auge zu behalten. Um an der Seidenstraße 4.0 Teil zu haben, rät Expertin Ries kleinen Unternehmen, mit deutschen Großunternehmen zusammen zu arbeiten. Alexej Knelz von der AHK Russland: „In Russland gilt mehr als woanders das Motto: Erfolg hat, wer vor Ort ist. Ein produzierendes Unternehmen in Russland, das das Marktumfeld kennt, nah am Kunden ist und die logistischen Vorteile sowie die Steuer- und Zollpräferenzen, die sich aus der Eurasischen Wirtschaftsunion ergeben, nutzt, hat die besseren Chancen.

Unternehmen, die sich an Seidenstraßen-Projekten beteiligen, müssen nach Ansicht von Evgenija Ries einen langen Atem haben: „Viele Projekte sind staatlich geleitet. Kommt es zu einem Regierungswechsel, könnte es passieren, dass ein Projekt eingestellt wird. Geduld müsse man mitbringen, nicht alles läuft schnell: „Deutsche Geschäftsleute sind es gewohnt, dass Pläne schnell umgesetzt werden. Aber man muss einkalkulieren, dass geeignete Mitarbeiter nicht vor Ort sind bzw. erst angelernt werden müssen.“

Karoline Rübsam, Außenwirtschaftsportal Bayern

Linktipps und Infos zum Thema die Neue Seidenstraße:
Informationen von FAZ.net und HSBC
Deutsche Initiative Hochgeschwindigkeitsverkehr.